Der Wolf
Tricks doch noch zu überlisten –
umsonst. Dabei bestätigte uns Signor Ursitti, jetzt Wildhüter im Nationalpark, früher jedoch der berühmteste Wolfsjäger im Gebiet, daß Dave wirklich gute Arbeit leistete. Nur
der ausbleibende Erfolg sprach dagegen.
Menschliche Probleme
Hinzu kamen andere Probleme. Anscheinend waren wir
zwischen die Fronten einer schon lange bestehenden Fehde
zwischen Nationalpark- und Forstverwaltung geraten. Aus
dem Bayerischen Wald waren mir solche Auseinandersetzungen bekannt. Jahrelang habe ich dort beobachten können, auf welch autoritäre Weise die Forstverwaltung angestammte Nutzungsrechte am Wald gegen neue Ideen durchzusetzen versucht. Hier aber entbehrte der Kampf nicht
der Komik. Nur für uns war es weniger lustig. Dave mußte
Ende April in die USA zurück, und bis dahin brauchten
wir einen Wolf. Es fing damit an, daß eine Gruppe gutbewaffneter Forstpolizisten in Uniform sich von uns die Fallen zeigen ließ. Wir dachten zuerst an nichts Bedrohliches,
sondern glaubten, sie seien nur neugierig. So zeigten wir
ihnen auch, wo ungefähr wir die Fallen ausgelegt hatten,
wie wir es taten und so weiter. Am nächsten Morgen waren
sie vor uns an den Fallen, was uns nicht gerade erfreute,
und wieder einen Tag später verlangten sie von uns sämtliche Fallen ; außerdem erklärten sie uns wegen unerlaubten Fallenstellern im Nationalpark für verhaftet.
Wir hatten wirklich Wichtigeres zu tun, als Statisten zu
spielen in einem seit Jahren andauernden Kompetenzenstreit zwischen rivalisierenden Verwaltungen. Die Leute
im Dorf hatten uns erzählt, es sei schon manches Mal zu
Massenschlägereien zwischen den Wildhütern des Nationalparks und den Forstpolizisten gekommen, die beide
Polizeihoheitsrechte ausübten. Der Grund des Streits lag
jedoch tiefer : Die Nationalparkverwaltung mußte sich im
Interesse des Naturschutzes sehr häufig gegen Interessen
bestimmter Gruppen durchsetzen, die immer neue Skilifts,
Hotels und Privatvillen bauen wollten. Pescasséroli, einst
ein armes Bergdorf, war inzwischen zu einem oberflächlich-mondänen Skiort geworden mit einer geradezu chaotischen Bautätigkeit. Die Einheimischen hatten zwar kaum
Anteil am Profit ; trotzdem setzten viele von ihnen ihre
Hoffnung auf bessere Zeiten weiterhin in die Kapitalgeber aus Rom und Mailand. Die Nationalparkverwaltung
mußte sich also nicht nur gegen mächtige Wirtschaftsinteressen zur Wehr setzen, sondern häufig auch gegen Teile
der einheimischen Bevölkerung, die nichts vom Nationalpark wissen wollten. Der einst klar und sauber durch das
Dorf fließende Bach war mittlerweile zur Kloake geworden, die Hügel oberhalb Pescassérolis standen voll riesiger, häßlicher Hotelruinen, und in den vielen Villen um
das Dorf zogen die Eigentümer jeweils nur für zwei oder
drei Wochen im Jahr ein, zu Weihnachten, Neujahr und zu
»Ferragosto« im Spätsommer ; ansonsten standen die Häuser leer. Doch daran war angeblich nur der Nationalpark
schuld, der bis jetzt verhindert hatte, daß eine Seilbahn auf
den Monte Marsicano gebaut wurde, mitten hinein in das
Gebiet der letzten Bären der Apenninen.
Ein Streit also, der heute an vielen Orten ähnlich besteht :
zwischen Kapitalinteressen und Naturschutz. Daß der Nationalpark viel mehr Arbeitsplätze geschaffen hatte und langfristig auch mehr Touristen in das Gebiet locken würde –
und dies das ganze Jahr über – als noch ein Skizirkus auf
noch einem Berg, das wurde übersehen. Der Naturschutz
braucht keine Rieseninvestitionen und bringt damit auch
keine Riesengewinne für fremde Kapitalgeber – daran lag
es wohl. Der Streit war alt und wurde nicht nur in Form
von Wirtshausschlägereien ausgefochten. Der konservative
Bürgermeister von Pescasséroli saß inzwischen wegen Spekulationsgeschäften im Gefängnis, und ein neuer Bürgermeister war gerade gewählt worden, diesmal ein Kommunist. Er versprach, bessere Beziehungen zum Naturschutz
anzustreben. Die Forstverwaltung allerdings war nach wie
vor gegen den Nationalpark – nicht zuletzt deshalb, weil
Naturschützer immer lauter forderten, wenigstens im Nationalpark solle keine Forstwirtschaft mehr betrieben werden.
Vermutlich wurden aber auch private Fehden ausgefochten,
und wir standen nun in der Mitte.
Es half nichts, daß Luigi Boitani den Polizisten die Genehmigung für unsere Fallen vorlegte. Auch lange Telefongespräche mit dem WWF in Rom, mit Tassi, der in Urlaub
war, und mit dem obersten Chef der Forstverwaltung
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