Der Wolf
sicherheitshalber einen Maulkorb über. Später hat nie wieder ein Wolf
ein derartiges Verhalten gezeigt, und der Maulkorb blieb
ungenutzt. Schwierigkeiten hatten wir eigentlich immer
nur mit Hunden, die in die Fallen gegangen waren. Sie
bissen zumeist wie wild um sich, obwohl sie zuerst, nachdem sie in die Falle gegangen waren, immer ruhig blieben. Die Wölfe dagegen kämpften intensiv gegen die Fallen,
und das war im Hinblick auf Verletzungen das Gefährliche. Einmal von Menschen eingeengt, blieben sie aber alle,
bis auf unseren ersten Fang, völlig eingeschüchtert, nicht
selten kotend und urinierend, zusammengekauert liegen,
bis wir aus nächster Nähe die Spritze anbringen konnten.
Schließlich zeigte uns Dave, wie das Radiohalsband angelegt wurde. Das Gerät funktionierte, und während der Wolf
aus seiner Narkose langsam aufwachte, trugen wir ihn in
den Wald oberhalb der Futterstelle. Hier schlief er zuerst
einige Stunden. Am Abend hatte er seine Position (wie wir
jetzt ja feststellen konnten) etwas verändert, und am dritten Tag war er schon lange Strecken unterwegs.
Bis zu Daves Abreise fingen wir noch zwei Wölfinnen,
und so wurde zuletzt auch diese Seite von Daves Aufenthalt ein voller Erfolg. Dave hatte uns zudem in die gesamte
Technik der Telemetrie bestens eingeführt. Viel Spaß hatten wir auch, und das nicht nur beim Fangen : Es war eine
schöne Zeit.
Luigi und ich verfolgten abwechselnd die drei markierten Wölfe bis Ende des Jahres. Dann zogen wir aus dem
Nationalpark weg, um die Arbeit im Maiella-Gebiet, weiter nördlich, fortzuführen. Der obenerwähnte Streit, der
für uns immer weniger durchschaubar wurde, war nicht
unschuldig an unserem Wegzug. Auch bekamen wir von
der Nationalparkverwaltung keine Fanggenehmigung mehr.
Außerdem wollten wir lieber Wölfe studieren, die für italienische Verhältnisse unter repräsentativeren Bedingungen lebten : ohne Schutz durch Wildhüter, ohne Winterfütterung und wiedereingebürgerte Beutetiere.
Fangen und Telemetrie im Maiella-Gebiet
Schon am dritten Tag unserer ersten selbständigen Fangaktion im Januar 1975 fingen wir eine Wölfin, und zwar mit
Hilfe des obengenannten Stinkzeugs. Luigi wurde dann
mehr und mehr durch die »ökopolitischen« Aufgaben in
Anspruch genommen. So führte ich die weiteren Fangaktionen selber durch, jetzt von Paolo Barrasso unterstützt,
einem jungen italienischen Biologiestudenten aus der Region Abruzzi, der zu uns gestoßen war. Wir fingen insgesamt
elf Wölfe, dazu viele Hunde und vielleicht an die dreißig
Füchse. Die Wölfe waren immer noch äußerst vorsichtig.
Manchmal dachten wir an fast »übersinnliche« Fähigkeiten.
Doch auch wir wurden geschickter. Einmal fand ich, während einer Fangaktion zur Ranzzeit der Wölfe, im Gelände
frischen Wolfskot. Statt ihn aber wie üblich aufzuheben und,
in eine Plastiktüte verpackt, zu den vielen hundert Tüten
gleichen Inhalts zu legen, schob ich ihn vorsichtig beiseite,
grub eine Falle ein und legte die Wurst dann wieder ganz
nahe an die Falle zurück. Am nächsten Tag hatten wir eine
läufige Wölfin in dieser Falle.
Das Fallenstellen wurde für mich schließlich fast zur
Manie. Die Wölfe irgendwie zu überlisten beschäftigte mich
Tag und Nacht. Manchmal mußten mich die anderen geradezu zwingen, endlich aufzugeben, wenn es sich herausgestellt hatte, daß die Wölfe nach monatelanger Verfolgung
an den üblichen Fangplätzen nicht mehr zu kriegen waren
oder die Schneeverhältnisse weitere Versuche unmöglich
machten. Die Motivation und die Leidenschaft des Jägers,
der tage-, wochen-, ja monatelang hinter einem besonderen Tier her ist, waren mir in dieser Zeit durchaus vertraut.
Allerdings war ich froh darüber, daß die Befriedigung meines Jagdtriebs nicht mit dem Tod des Tieres bezahlt werden mußte.
Zur Ortung der Wölfe und zur Verfolgung ihrer Wanderungen hatten wir tragbare Antennen, die wir auf die
Rucksäcke schnallen konnten. Aus England bekamen wir
einen Landrover, auf dem wir die Richtantenne so montierten, daß wir sie vom Fahrersitz aus um 360 Grad schwenken konnten. Mit diesem Fahrzeug wurde die Ortungsarbeit im wesentlichen ausgeführt. Anfänglich hatten wir
auch meine beiden Norwegerpferde, die ich aus Deutschland mitgebracht hatte ; sie bewährten sich jedoch nicht. Das
heißt, die Pferde waren schon gut – nur die Wölfe verhielten sich anders als erwartet. Ein tage- und wochenlanges
Verfolgen der Wölfe über die Berge, für das wir die
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