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Der Wolf

Der Wolf

Titel: Der Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Zimen
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Einmal
sah sie beispielsweise das von der Sonne beschienene Dach
eines schnell fahrenden Autos, dessen unterer Teil durch
eine Hecke verdeckt wurde. Anfa jagte sofort hinterher und
war dann sehr erschrocken, als sie den Irrtum bemerkte.
Später hat sie nie wieder denselben Fehler gemacht.
    Andere mögliche Beutetiere erkannte sie zuerst gar nicht
als solche. Die Kühe auf der Weide etwa ließen sich durch
Anfa nicht beeindrucken, als wir durch die Herde gingen,
und Anfa machte keine Anstalten, eines der Tiere anzugreifen. Erst anderthalb Jahre später, als weitere vier zahme
Wölfe bei unseren Spaziergängen dabei waren und eine Kuhherde plötzlich vor dem Wolfsrudel Reißaus nahm, begriff
Anfa, daß auch Kühe als mögliche Beute in Betracht kamen ;
das Fluchtverhalten der Kühe schien dies bewirkt zu haben.
In der Folge lernte sie auch Pferde als potentielle Beutetiere erkennen.
    Nach dieser Erfahrung waren weder Anfa noch die vier
jungen Wölfe fortan von der Rinder- und Pferdejagd abzuhalten. Natürlich waren es für sie zu große Beuteobjekte,
und kein Rind, kein Pferd kam jemals zu Schaden. Die
Wölfe griffen zwar an, mußten aber bald einsehen, daß die
Hörner der Rinder und die Hufe der Pferde allzu gefährliche Waffen waren. Immerhin waren die Herden nach solchen Attacken schnell über die Felder verstreut – und die
Bauern in entsprechender Stimmung. So mußte ich notgedrungen die Wölfe an die Leine nehmen, wenn Rinder
oder Pferde in der Nähe der Försterei auf der Weide standen. Mit der Zeit lernten die Wölfe dann, daß Beutetiere
dieser Größenordnung für sie um einiges zu groß waren,
und der Jagdeifer ließ allmählich nach.
    Diese Beobachtungen zeigen, daß Wölfe offenbar erst
lernen müssen, was mögliche Beute ist. Ein wichtiges Beutemerkmal ist dabei die schnelle Bewegung. Diese löst bei
den jungen Wölfen zunächst Jagdverhalten aus. Ein möglicher Erfolg, etwa der Fang eines Junghasen, verstärkt den
Jagdeifer für diese Sorte von Beute. Schon die ersten Versuche der jungen Welpen, Heuschrecken oder Mäuse zu
erjagen, dienen wohl eher der Einübung, der Koordination der Bewegungen beim Beutegreifen und der Verstärkung der Jagdmotivation als dem eigentlichen Nahrungserwerb. Bereits nach einmaligem Fehlverhalten, wie bei der
Autojagd, oder aufgrund wiederholter Mißerfolge, wie bei
der Rinder- und Pferdejagd, lernen die Wölfe aber ebenso,
was nicht als Beutetier in Frage kommt.
Unterschiede zwischen Wolf und Hund
    Im Vergleich mit den Pudeln in Rickling und mit meinen
späteren Jagdhunden fielen mir zwei wesentliche Besonderheiten im Verhalten der Wölfe auf. Die eine ist, daß sie
sehr früh und ungemein geschickt einer für sie erlegbaren
Beute nachstellen und sie töten. Die hierfür notwendige
Erfahrung scheinen sie ausschließlich im Spiel zu erwerben. Zwar müssen sie lernen, welche Beute ihnen gemäß
ist ; doch wie sie dem jeweiligen Beutetier am besten nachstellen, wie sie es anspringen und töten müssen, das beherrschen sie auf Anhieb. Alle Hunde hingegen, also auch die
speziell für die Jagd gezüchteten, stellen sich anfänglich
sehr viel weniger geschickt an, insbesondere dann, wenn es
sich um wehrhafte Beutetiere wie etwa Katzen handelt. Was
die Wölfe sofort und perfekt können, müssen die Hunde
sich mühsam aneignen.
Welche Verhaltensweisen aus dem Jagdrepertoire des
    Wolfes ein Hund besonders gut erlernt und welche er niemals erlernen wird, ist von Rasse zu Rasse unterschiedlich.
Alle Hunde sind zwar in dieser Hinsicht irgendwie Wölfe
geblieben, also Raubtiere ; Motivation und Können variieren indes je nach Zuchtziel beträchtlich, wobei immer wieder einzelne Elemente aus der ursprünglichen Handlungskette hervorgehoben oder unterdrückt worden sind. So ist
der Spürhund auf die Arbeit an der Fährte spezialisiert,
der Windhund auf die schnelle Jagd hinter der Beute her.
Der Vorstehhund bleibt in der Anschleichphase mit gehobener Vorderpfote wie erstarrt vor der entdeckten Beute
stehen und zeigt diese so seinem Herrn an. Der Apportierhund wiederum sucht und bringt seinem Herrn die
erlegte Beute, wobei er möglichst sanft anpackt, um diese
nicht noch mehr zu zerstören. Viele Terriers hingegen sind
gerade auf das feste Zupacken bei kleineren und wehrhaften Tieren gezüchtet, die sie mit kräftigem Schütteln töten.
Wieder andere Rassen sind darauf abgerichtet, die Beute
im Dickicht zu suchen oder sie auf langen Jagden zu treiben. So ist jeder Spezialist in

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