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Der Wolf

Der Wolf

Titel: Der Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Zimen
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zur
räumlichen Organisation der Gesamtpopulation bei.
    Zuerst lokalisierte Mech, wie zuvor Pimlott und dessen
Mitarbeiter, durch das Heulen den Aufenthaltsort der Welpen, die sogenannten Rendezvous-Stellen. Nachdem die
Welpen im Alter von acht bis zwölf Wochen nicht mehr
die Höhle benutzen, werden sie von den älteren Wölfen in
ein meistens durch dichte Unterholzvegetation geschütztes und abseits gelegenes Gebiet geführt, in dem sie die
nächsten Wochen und Monate verbringen. Hier treffen sich
auch die erwachsenen Rudelmitglieder immer wieder nach
ihren Jagdausflügen, die sie alle zusammen oder in kleinen Gruppen, manchmal auch allein, unternehmen – daher
der Name.
    Mech lud mich ein, seine Arbeit zu beobachten. An einer
bekannten Rendezvous-Stelle, einem vormaligen, wieder
dicht bewachsenen Kahlschlag im Wald, bekamen wir sofort
von etwa fünf Welpen und einem älteren Wolf Antwort. Ich
kletterte auf einen Baum, um besser zu sehen. Von hier oben
heulte ich immer wieder in meinem »europäischen Wolfsdialekt«, und die Welpen antworteten auf »amerikanisch«.
In der Tat hört sich das Heulen der amerikanischen Wölfe
etwas anders an als das der europäischen. Ich behauptete,
unsere Wölfe heulten langgezogener und melodischer, während sich die amerikanischen, vielleicht durch eine stärkere
Betonung der Anfangssilben, ein wenig kräftiger anhören.
Natürlich waren Mech und seine Mitarbeiter in bezug auf
das Melodische nicht meiner Meinung.
    So saß ich also in dem Baum und heulte, während die
anderen das Heulen der Welpen auf Tonband aufnahmen.
Angelockt von meinem Heulen, kamen die Welpen immer
näher, und schließlich saßen fünf etwa vier Monate alte
Wolfskinder, magere kleine Kerle, unter meinem Baum,
und wir heulten uns gegenseitig an.
    Bei ihrer Arbeit registrierten die Amerikaner die Antworthäufigkeit der erwachsenen Wölfe in Relation zum
Abstand von den Rendezvous-Stellen und von der Territoriumsgrenze. Dabei stellte sich heraus, daß die Wölfe
besonders im Grenzgebiet gern antworteten. Dies legt die
Annahme nahe, daß das Heulen – ähnlich dem Singen der
Vögel oder den Brüllkonzerten mancher Affenarten – auch
eine akustische Territoriumsmarkierung darstellt.
    Bei unseren Spaziergängen mit Anfa in Rickling konnte
es nicht ausbleiben, daß Anfa sich weit von uns entfernte.
Alles Rufen half in solchen Fällen wenig ; doch bald lernte
ich, daß Heulen geradezu Wunder wirkte. Anfa kam dann
aufgeregt zurückgerannt, sprang an mir hoch, wedelte mit
dem Schwanz, hob schließlich ebenfalls den Kopf und heulte
mit.
    Ähnliches Verhalten habe ich später viele hundertmal bei
den Rudelwölfen beobachtet. Nach der langen Ruhepause
am Nachmittag steht ein Wolf langsam auf, streckt sich,
gähnt und verschwindet dann, am Boden schnüffelnd, im
Gebüsch. Ein zweiter Wolf schaut ihm zu, steht ebenfalls
auf, streckt sich, gähnt und legt sich wieder hin. Ein weiterer blinzelt in die Sonne, ein anderer knabbert an einem
Knochen ; doch die meisten im Umkreis von etwa fünfzig
Meter liegenden Wölfe schlafen noch. Plötzlich fängt der
im Gebüsch verschwundene Wolf, unterhalb des Rudels
auf einem Stein stehend, an zu heulen – leise zuerst, dann
immer lauter. Die restlichen Wölfe kommen schnell auf
die Beine, strecken sich, wedeln mit den Schwänzen und
rennen aufeinander zu. Die Jüngeren versuchen, den Älteren ins Gesicht zu lecken, drängen sich um diese, springen
aneinander hoch, fallen auf den Rücken, winseln, alles sehr
aufgeregt. Das ganze Rudel bildet einen engen Haufen, in
dem jedes Tier mit jedem in direkten körperlichen Kontakt kommt. Ein zweiter Wolf hebt den Kopf und fängt an
zu heulen, die anderen fallen ein, und bald heult das ganze
Rudel. Anfänglich quäken noch einige – eine Mischung zwischen Winseln und Heulen und nicht gerade schön. Das
Maul ist dabei nicht so rund geformt wie beim reinen Heulen, sondern weiter aufgesperrt. Vor allem die Jüngeren und
Rangniedrigen quäken, wobei sie noch unruhig umeinanderlaufen. Dann bleiben aber auch sie stehen, heben den
Kopf ganz hoch und heulen im Chor mit.
    Adolph Murie, der als erster in den frühen vierziger Jahren
Wölfe systematisch in freier Wildbahn, im Mount McKinley
National Park in Alaska, beobachtete, nannte diese Rudelzeremonie »the friendly get together«, das freundliche Zusammenkommen des Rudels. Nicht immer heulten seine Wölfe
dabei. So war es auch in meinem Rudel. Zumeist gehört
aber das Heulen

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