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Der Wolf

Der Wolf

Titel: Der Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Zimen
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sich
aus an, sondern beteiligten sich nur am Rande, dann allerdings so stark, daß viele der älteren »Prügelknaben« fortan
auch zu ihnen Abstand hielten. Als Einzeltiere konnten die
Jungen zwar älteren Wölfen noch keine Angst einjagen, als
Gruppe aber waren sie gefürchtet. Und in der Gruppe traten sie dann auch hauptsächlich an.
    Doch nicht immer führte die Unterdrückung durch die
Ranghöchsten sogleich zum Hinauswurf aus dem Rudel.
Vielmehr reagierten die Unterdrückten erst einmal mit
unterwürfiger Freundlichkeit. Sie zeigten zunehmend häufig Demutsverhalten und wurden dabei immer verspielter
und aufdringlicher. Es war, als retardierten sie in ihrem
Verhalten, als würden sie wieder kindlich, was sicher als
eine Strategie zu bewerten ist, die Aggressivität der Ranghöheren zu beschwichtigen. Denn: Kinder beißt man nicht.
Und Kinder sind auch keine Konkurrenz.
    War auf diese Weise die Aggressivität der Ranghöchsten
wenigstens eine Zeitlang zu beschwichtigen, so ließen sich
doch die Mitglieder der »Halbstarkenbande« dadurch nicht
beirren. Sogar im Spiel umstellten sie einen »Prügelkandidaten« und bissen ihn kräftiger, als es dabei zulässig ist.
Ältere und erfahrenere Wölfe konnten damit leicht fertig
werden. Entweder gingen sie einfach weg, oder sie spielten
ausgelassen weiter und konnten so bald die Angriffstendenzen der Bande in allgemeine Freundlichkeit überleiten. Demgegenüber wurden die weniger erfahrenen, gerade
ein Jahr älteren Juvenilen eher Opfer solcher Gruppenflegeleien. Sie flüchteten oder begannen wild um sich zu beißen, beides starke Auslöser für einen allgemeinen Angriff,
an dem sich dann auch gern die Ranghöchsten beteiligten.
Solcherart traktiert, blieb den Verprügelten meistens nichts
anderes übrig, als sich fortan abseits im Gehege zu halten,
bis sich die Stimmung wieder beruhigt hatte. Oftmals aber
war dies nicht der Fall ; dann mußte der »Prügelknabe« das
Rudel ganz verlassen. Nicht selten war die »Halbstarkenbande« wesentlich daran beteiligt.
Die »Klein-Alphas«
    Im Laufe dieser mit dem Näherrücken der Ranzzeit zunehmend heftiger geführten Auseinandersetzungen im Rudel
profilierten sich allmählich einzelne der jetzt etwa zehn
Monate alten Mitglieder der »Halbstarkenbande«. Auch bei
Konflikten mit ihren Altersgenossen behielten sie immer
öfter die Oberhand. Nach und nach begannen sie sich ihren
Geschwistern gegenüber so zu verhalten, wie es die Ranghöchsten gegenüber dem gesamten Rudel taten. Sie liefen
jetzt mit hocherhobenem Schwanz umher und imponierten
gegen ihre Altersgenossen, ja manchmal gegenüber älteren Subdominanten. Ich nannte sie »Klein-Alphas«. Ihre
Unverfrorenheit hat mich schon so manches Mal zum Lachen gebracht. So versuchten einige sogar beim Urinieren
das Bein zu heben, wie es sonst nur die Ranghöchsten im
Rudel tun ; da sie das Kunststück, dreibeinig den Urinstrahl
    Umstellen und Vorstoßen gegen einen »Prügelknaben«
(hier : Wölfchen nach seinem verlorenen Machtkampf
mit Näschen im Winter 1973/1974).
    obendrein möglichst hoch am Baum anzubringen, noch
nicht beherrschten, fielen sie um. Andere »Klein-Alphas«
rannten im Rudel neben den Ranghöchsten und trugen den
Schwanz nicht minder hoch als diese. Wieder andere stolzierten vor einem der gerade Unterdrückten einher, und
Augenblicke danach spielten sie ausgelassen wie Welpen. Es
war jedesmal eine große Schau. Vor allem der augenblicklich ranghöchste Rüde in der Bande tat sich solchermaßen
hervor. Bei den Weibchen war diese Tendenz zur Überschätzung der eigenen Kräfte nicht so ausgeprägt; dafür
sorgte schon das Alpha-Weibchen. Die weiterhin ausgeprägte Toleranz des Alpha-Rüden seinem halbwüchsigen
Imitator gegenüber war indessen auffallend.
    Auch bei anderen Aktivitäten im Rudel zeichneten sich
die ranghohen Jungwölfe aus. Kam ein fremder Hund an
den Zaun, wurde er zuerst und intensiv von den Ranghöchsten angegriffen, meistens gefolgt von den »Klein-Alphas«,
während die älteren, aber rangniedrigen Rudelmitglieder
eher abwartend und manchmal, wenn allein, sogar freundlich reagierten. Gleiches war häufig zu beobachten, wenn es
galt, Neues zu entdecken. Als ich zum Beispiel ein neues Tor
zwischen dem großen und dem kleinen Gehege aufmachte,
waren binnen Minuten die beiden Alpha-Wölfe durchgelaufen, gefolgt von einem weiteren ranghohen Rüden und den
damaligen beiden »Klein-Alphas«. Einige der rangniedrigen Rudelmitglieder

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