Der Wolf
von
den Altwölfen adoptiert. Vor allem Näschen kümmerte
sich rührend um sie ; er trug ihnen Futter zu, legte sich zu
ihnen, spielte mit ihnen und beschützte sie. Man hätte meinen können, es sei sein eigener Nachwuchs. Auch Alexander und Wölfchen zeigten sich an den Welpen recht interessiert. Nur Mädchen hielt sich zurück, blieb aber neutral
und zeigte entgegen meiner Befürchtung keine Aggression.
Die afghanischen Welpen bekamen alle Namen nach Orten in der Umgebung: St. Oswald, Schönbrunn, Finsterau,
Rachel und Lusen. Finsterau, der wildeste von ihnen, sollte
bald im Rudel eine bedeutende Rolle spielen.
Auch im nächsten Winter kam es zwischen den Altwölfen zu keiner Paarung. So beschaffte ich erneut vier Welpen,
diesmal aus dem Zoo der Stadt Olmütz in der CSSR; die
Eltern waren Wildfänge aus den Karpaten. Einige Wochen
bekamen sie von mir noch Milch gefüttert, aber ansonsten
kümmerte ich mich wenig um sie. Als die Milchfütterung
langsam zu Ende ging, wurden sie zunehmend scheuer und
ließen sich schließlich nicht mehr einfangen.
Trotzdem konnte ich sie zu Versuchszwecken, zusammen
mit Näschen, aus dem Zwinger herausführen und frei im
Gelände laufen lassen. Sie hielten sich eng an ihren Stiefvater, und solange ich diesen im Auge behielt, waren auch
die Welpen unter Kontrolle. Doch einmal im Juli, die Welpen waren zehn Wochen alt, rannte Näschen plötzlich weg
und die Welpen hinter ihm her. Sie verloren ihn bald aus
der Sicht und rannten ratlos umeinander. Als ich sie einzufangen versuchte, versteckten sie sich in einer Fichtenschonung; jedes Suchen dort war hoffnungslos.
Sollte das ganze Theater mit Näschen, diesmal von vier
Welpen begleitet, von vorne anfangen? Glücklicherweise
nicht ! Näschen kam ein paar Stunden später zurück und
half intensiv mit, die Welpen zu suchen. Vermutlich trieb
ihn seine angenommene Vaterrolle dazu. Den Rüden fanden wir in derselben Fichtenschonung ; die Wiedersehensfreude war stürmisch. Von den drei Weibchen aber keine
Spur. Wir suchten die ganze Umgebung ab, bis zu zwei
Kilometer von unserem Haus entfernt: ohne Erfolg.
Spät am Abend hörte ich dann Winseln unten am Zwinger und fand zwei der Welpen, die sofort in den Zwinger
rannten, als ich die Tür aufmachte. Aus dem dunklen Zwinger unter unserem Fenster hörten wir noch lange das aufgeregte Umeinanderlaufen der Wölfe. Schönbrunn hatte,
allein zurückgelassen, stundenlang geheult und vermutlich so die Orientierung der jungen Welpen und ihre Rückkehr erleichtert. Jetzt aber hatte sie drei ihrer Zöglinge
zurück, und das schien ausreichend ; sie hörte auf zu heulen. Wie sollte der vierte zurückfinden ? Doch er schaffte
es: Am Abend des nächsten Tages tauchte er plötzlich wieder auf. Er war sehr hungrig, aber vor lauter Unterwerfung
vor Näschen und Schönbrunn kam er kaum zum Fressen.
Die anderen Welpen beschnüffelten ihn ausgiebig und verprügelten ihn dann im Spiel ordentlich.
Wenige Tage nach diesen erstaunlichen Orientierungsleistungen starb einer der Welpen. Bei für Waldhäuser ungewöhnlicher Hitze spielten die Welpen ausgiebig. Ich entfernte mich einige Minuten, und als ich zurückkam, lag das
größte Weibchen am Boden – leblos, aber noch warm. Ich
versuchte es sofort mit künstlicher Beatmung. In Rickling
war mir ähnliches einmal mit einem jungen Pudelweibchen
passiert, dem ich durch Herzmassage und Atemunterstützung wieder zum Leben verhalf. Diesmal nutzten aber alle
Bemühungen nichts: Der kleine Wolf war tot. Die Obduktion ergab nichts Ungewöhnliches. Ich vermute, daß das
schnelle Wachstum in diesem Alter für Herz und Kreislauf
eine besonders große Belastung darstellte und plötzliche
übermäßige Belastung zu Herzversagen geführt hatte.
Die anderen drei Welpen bekamen Namen aus ihrer ursprünglichen Heimat: Olomouc, Tatra und Brno. Besonders von Olomouc werde ich noch viel zu berichten haben.
Solange er jung war, konnte niemand ahnen, daß er später
die höchste Position in der Rudelhierarchie erklimmen und
viele Jahre als Alpha-Rüde an zentraler Stelle die Geschicke
des Rudels bestimmen sollte. Doch zuerst mußte er, wie alle
anderen Jungwölfe auch, sich einen Platz im Rudel erobern,
und das ging nicht ohne Konflikte ab, wie wir im folgenden sehen werden.
Die Eingliederung der Welpen
Nachdem ich zwei Jahre lang den ausbleibenden Nachwuchs
durch fremde Welpen hatte ersetzen müssen, kamen in
den folgenden Jahren, stets um den 1. Mai herum, auch
im
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