Der Wolfsmann
Und er hatte versagt, was den einen Teil seines Auftrags anging. Mit leeren Händen würde er vor Drudin stehen, wenn dieser Aufklärung darüber verlangte, was beim Einsatz der magischen Waffe gegen Lockwergen mit den Caer-Priestern geschehen war.
Als Drundyr nun das Geschrei, das Krachen und Mahlen und das plötzliche Heulen Hunderter von schwarzen Wölfen vom Marktplatz her hörte, ahnte er, dass seine Vorsicht berechtigt gewesen war.
Er selbst verließ mit seinen Kriegern das schwarze Schiff, um in der Stadt nach dem Rechten zu sehen. Nur wenige Männer blieben an Bord zurück.
Kurz darauf standen sie vor dem Krater. Fernes Geheul kam aus der Tiefe, wo diffuses Licht aus den nicht von den Erdmassen verschütteten unterirdischen Räumen drang.
Drundyr war weit davon entfernt, zu ahnen, wer für das verantwortlich war, was sich hier abgespielt hatte. Aber Corchwll und seine Wölfe waren nicht mehr in der Stadt. Sie waren dort unten, in den Katakomben, von deren Existenz Drundyr bisher nichts bekannt gewesen war, und machten Jagd auf jemanden. Nur so konnte es sein. Corchwll war mächtig, aber auch er hätte es nicht gewagt, den Pakt zu brechen und auf diesem Weg die Stadt zu verlassen.
Drundyr wusste nicht, was ihn dort unten erwartete, doch schrecklicher als eine Bestrafung durch Drudin konnte es nicht sein. Er musste den Wölfen und Corchwll nachgehen, um sich Gewissheit über das Vorgefallene zu verschaffen.
An der Spitze seiner Krieger stieg Drundyr in die Tiefe. Die Caer trugen brennende Pechfackeln, die die Katakomben erhellten. Das Geheul der Wölfe wies ihnen den Weg.
*
Corchwll versagten die Beine mitten im Laufen den Dienst. Er stürzte der Länge nach hin und wurde von einigen Wölfen überrannt, bevor er wieder die Kraft fand, sich aufzurichten.
Jagt sie weiter! befahl er der Meute.
Der Wolfsmann presste sich eng an eine Wand, um die schwarzen Schatten vorbeizulassen. Die Panik griff nach seinem Bewusstsein. Irgend etwas geschah mit ihm. Unsichtbare Hände schienen in sein Gehirn greifen zu wollen. Er sah seine Wölfe nur noch undeutlich an sich vorbeihuschen. Ganz deutlich aber sah er die Blicke, die sie ihm zuwarfen!
Es breitete sich eine Leere in ihm aus, seit die Statue verschwunden war. Eine furchtbare Leere! Corchwlls Kraft schwand dahin, und er spürte, dass er die Gewalt über die Wölfe verlor.
Er begann zu zittern. Immer mehr Wölfe zögerten nun, wenn sie an ihm vorbeikamen. Bald würden sie stehenbleiben. Irgend jemand heulte, und der Wolfsmann begriff, dass er selbst es war. Doch es war nicht seine Stimme. Es war die des Dämons. Das Entsetzen lähmte den Herrn der Wölfe. Zum erstenmal seit langer Zeit fühlte er sich wieder als lebendes Geschöpf, das nicht Corchwll war - nicht das, was von seiner Seele Besitz ergriffen hatte, mit ihm eins geworden war und ihn jetzt freigab!
Der Dämon kämpfte ums eigene Überleben. Er wütete in seinem Körper und nahm keine Rücksicht mehr auf ihn. Der Wolfsmann bäumte sich auf und sank zusammen. Seine Hände fuhren über sein Gesicht.
Er verwandelte sich zurück! Seine Schreie erstarben. Er hob die Hände vor die Augen und sah, dass sie fast unbehaart waren. Die Hände eines Menschen.
Und plötzlich standen sie vor ihm. Die Dutzend Wölfe mit leuchtenden Augen und gebleckten Fängen. Noch zögerten sie. Sie knurrten drohend, schoben sich vor ihm umher, kreisten ihn ein.
»Nein!« schrie er in höchster Todesangst. Eine Welt stürzte für ihn ein. Er sah sich wieder als Jüngling, dessen Leben beendet worden war, als ihn die Diener der Finsternis auf den Altar fesselten. »Nein! Bleibt zurück! Geht weg! Neeeiin!«
Sein letzter Schrei hallte weit durch die Gänge und ging in wütendem Knurren und Geheul unter. Die Wölfe waren über ihm. Das, was sie zerfetzten, war nur noch eine körperliche Hülle. Der Schock über die Erkenntnis hatte ihr Opfer schon vorher getötet.
Doch in dem sterbenden Geschöpf schrie Corchwll. So furchtbar waren seine Schreie, dass die Wölfe mit eingezogenen Schwänzen zurückwichen und klagend jaulten. Der Dämon fuhr aus dem zerfetzten Körper und entschwand vor ihren Augen. Er kehrte in die Schattenzone zurück. Seine Schreie hallten noch durch die Katakomben.
Der Herr der Wölfe aber war nicht mehr. Sie spürten es alle, hielten für Augenblicke inne und lauschten dem, was nicht mehr kam. Dann rannten sie weiter durch die Katakomben, jetzt allein von der Gier nach Beute getrieben.
Was zurückblieb,
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