Der Wolfsmann
Bewegungen erlahmten zusehends. Auch Mythor spürte bleierne Schwere im Arm. Sie konnten sich nicht mehr lange halten. Er musste tauchen und versuchen, den Durchgang zu finden, der aus der Höhle heraus in einen anderen Teil des unterirdischen Reiches führte. Mythor konnte nur hoffen, dass dieser andere Teil über Wasser lag.
Fest stand für ihn, dass der Pfad hier nicht aufhören konnte.
Niemand bemerkte in dem Getümmel, dass immer wieder Wolfskörper einfach verschwanden, tote wie lebende, die sich mit aller Kraft und unter verzweifeltem Heulen und Winseln gegen das wehrten, was sie in die Tiefe zog.
»Nottr!« rief Mythor, als ein halbes Dutzend erschlagener Wölfe wie ein Sperrgürtel im Wasser vor ihnen trieb und ihre Artgenossen für eine Weile beschäftigen würde. »Ich tauche und versuche, den Stollen zu finden! Halte durch, bis ich wieder auftauche!«
»Und wenn du nichts findest?«
»Es ist unsere einzige Hoffnung!« Mythor erledigte noch einen Angreifer. Dann ließ er sich ins Wasser sinken. Er hörte nicht, was Nottr noch schrie. An der Felswand entlang arbeitete er sich nach unten. Der See war hier tiefer, als er erwartet hatte. Der Pfad musste in dieser Höhle einen steilen Knick nach unten gemacht haben, aber es musste einfach eine andere Seite und einen Durchgang geben!
Mythor fand ihn schon nach kurzer Zeit. Noch hatte er Luft. Über ihm schäumte das Wasser. Es war zu dunkel, um viel erkennen zu können.
Ein Stollen unter dem See, direkt über dem Grund, wie Mythor es erwartet hatte. Er schwamm hinein, die Hand mit dem Schwert vorgestreckt und damit tastend. Der Stollen war groß genug, dass Riesen aufrecht darin gehen konnten. Mythor schwamm weiter, immer weiter. Kein Licht zeigte ein Ende an. Die Luft wurde knapp. Mythor konnte nicht mehr zurück. Er musste weiter, bis er die andere Seite erreichte oder erstickte.
Endlich sah er einen schwachen Lichtschimmer voraus. Seine Lungen schienen platzen zu wollen. Mythor sah helle, tanzende Punkte vor den Augen.
Und dann war das Licht über ihm. Die Felsen wichen zurück. Mit letzter Kraft tauchte Mythor auf.
Ein kleinerer See. Das Ufer war nur zwanzig Schritt entfernt, und genau gegenüber der Felswand setzte sich der Quaderpfad fort. Mythor befand sich in einer gewaltigen Höhle. Meterlange Tropfsteine hingen wie gewaltige Lanzen von der Decke herab. Kein Ende der Höhle war zu erkennen.
Mythor holte tief Luft und tauchte wieder durch den Unterwassertunnel. Er sah die schäumende Oberfläche im spärlichen Licht der Kristalle über sich und wollte sich vom Grund des Sees abstoßen.
Irgend etwas legte sich um sein linkes Bein. Es gab einen furchtbaren Ruck, und Mythor glaubte, sein Körper würde auseinandergerissen. Er sah einen riesigen Fangarm, dann einen zweiten, der wie aus dem Nichts heran schoss und sich um den linken Arm legte. Panik stieg in ihm auf. Er hatte nur noch wenig Luft. Mythor wand sich und versuchte sich zu befreien und sah entsetzt, wie ein dritter Fangarm dicht neben ihm in die Höhe schoss und kurz darauf mit einem toten Wolf zurück in die Tiefe sank, weg von ihm, dorthin, wo das Ungeheuer saß, zu dem es gehörte.
Mythor holte mit dem Gläsernen Schwert aus. Atemnot und Wasser behinderten den Schwung. Dennoch gelang es ihm, den Fangarm um den linken Arm zu durchtrennen.
Es zog ihn dennoch weiter in die Tiefe, zur Mitte des Sees hin.
Mythor versuchte in höchster Verzweiflung, den Fangarm am Bein mit Alton zu erreichen. Doch immer, wenn er glaubte, zum Schlag ausholen zu können, gab es einen neuen Ruck, und er wurde im Wasser herumgewirbelt.
Mythor spürte, wie alle Kraft aus ihm wich. Er machte heftige Schwimmbewegungen, doch der Fangarm hielt ihn fest umklammert.
Und jetzt sah er den Leib, zu dem die Arme gehörten. Es war das letzte, was er erblickte, bevor er das Bewusstsein verlor.
*
»Die Wölfe!« Sadagars Stimme kam Nottr kaum zum Bewusstsein. Wie ein Besessener ließ er sein Schwert auf die schwarzen Körper herabsausen, die längst tot waren. Verzweifelt versuchte er, in der Tiefe etwas zu erkennen. Mythor musste längst zurück sein, auch wenn er einen Tunnel gefunden hatte.
»Sie fliehen, Nottr!«
Der Barbar aus den Wildländern hielt mitten im Schlag inne. Er glaubte, seinen Augen nicht trauen zu dürfen, aber Sadagar hatte recht. Sie schwammen zum Ufer zurück. Sie flohen!
Und Nottr erkannte den Grund dafür. Grünlich schimmernde, glatte Arme tauchten aus dem Wasser auf, legten sich um die
Weitere Kostenlose Bücher