Der Wolfsmann
Allein deshalb drängte es Mythor wieder nach oben, ans Licht der Welt.
Solange die Wölfe auf ihrer Spur waren, blieb nur die Flucht.
»Wir müssen weiter«, drängte Nottr und warf einen vielsagenden Blick in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Steine polterten laut hallend zu Boden. Das Geheul der Wölfe wurde lauter. »Sie können jeden Moment durchbrechen.«
Die Gefährten flohen weiter. Mythor trug Nyala. Kalathee hielt noch tapfer mit. Früher oder später würde Nottr auch sie tragen müssen.
Nach einigen hundert Schritten verbreiterte sich der Gang. Dann öffnete er sich wieder in ein Gewölbe. Die leuchtenden Steine saßen in den Wänden und der hohen Decke. Fernes Wasserrauschen war zu hören. Der Pfad führte zwischen Tropfsteinen hindurch. Nun wurde die Luft stickiger und feuchter.
Das Geheul der Wölfe kam näher und sorgte dafür, dass die Schritte der Gefährten nicht erlahmten. Immer weiter, über die Steinquader. Nur nicht stehenbleiben! Kalathee musste getragen werden. Sadagar biss die Zähne zusammen. Er war schwächer als Mythor und Nottr, aber er fiel nicht zurück. Dann endete der Pfad.
Vor den Fliehenden breitete sich ein unterirdischer See aus, über dem sich die Wände und Decke des Gewölbes zu einer gewaltigen Kuppel vereinten. Überall waren die schimmernden Steine und tauchten die Wasseroberfläche in gespenstisches Licht. Die Steinquader führten direkt in den See. Es gab kein anderes Ufer. Das Wasser reichte bis an die Wände des Gewölbes. Kein Weg als der, den die Freunde gekommen waren, führte hier heraus.
Und jetzt erschienen die Wölfe. Hechelnd, die Beute sicher vor ihren Augen, stürmten sie heran.
»Ins Wasser!« rief Mythor. »Der Pfad kann hier nicht zu Ende sein! Auf der anderen Seite, unter der Wasseroberfläche, muss sich eine Öffnung in der Wand befinden! Wir müssen tauchen und danach suchen!«
Mit Nyala auf dem Arm ließ sich Mythor ins Wasser gleiten. Es war eisig kalt. Nottr, Kalathee und Sadagar folgten ihm. Schwimmend erreichten sie die Mitte des Sees, als die ersten Wölfe ins Wasser stürzten. Auf breiter Front rückten sie an, eine schwarze Flutwelle, die alles unter sich begraben würde.
Und noch etwas geschah, unbemerkt von Jägern und Gejagten: Überall am Ufer des Sees, an jenem Halbkreis also, der der Felswand, die das Ende der Katakomben zu bilden schien, gegenüberlag und wo das Wasser seicht war, befanden sich in Abständen von wenigen Schritten grüne Fladen, die nur knapp aus dem Wasser hervorragten. Mythor und die Gefährten hatten sie für Pflanzen gehalten und ihnen keine Beachtung geschenkt.
Nun kam Bewegung in die Fladen. Langsam zogen sie sich vom Ufer zurück und verschwanden im Wasser, glitten am felsigen Grund immer tiefer und rollten sich an dem, was man für Wurzeln hätte halten können, auf.
Diese grünblauen Stränge liefen weiter bis zu der Stelle, wo der See am tiefsten war. Und dort saß das Wesen, zu dem sie gehörten und dessen Sinne auf jene gerichtet waren, die über ihm an der Oberfläche schwammen.
Noch lagen die langen Fangarme still auf dem Grund, die Enden mit den Saugnäpfen aufgerollt. Noch war nicht alles Leben im See.
Weder Menschen noch Wölfe ahnten etwas von der Gefahr, in der sie schwebten. Die Wölfe näherten sich, mit allen vieren paddelnd, der Mitte des Gewässers.
»Zu den Felsen!« rief Mythor. »Dort können wir sie empfangen!«
Dicht gefolgt von den schwarzen Bestien, erreichten die fünf die Wand und fanden in Spalten und auf Vorsprüngen unter der Wasseroberfläche Halt.
Mythor klammerte sich mit der linken Hand an einen Vorsprung und stand sicher auf einer Felsleiste. Die Rechte fuhr hoch und brachte mit dem Gläsernen Schwert den Tod über die ersten Angreifer. Immer wieder fuhr Alton in die Höhe, dann herab und spaltete die schwarzen Wolfsschädel. Das Wasser färbte sich rot, und die Wölfe gerieten in einen wahren
Blutrausch. Das Wasser schäumte. Unermüdlich kämpften Mythor und Nottr, der Steinmann, die beiden Frauen mit ihren Körpern und Schwertern abschirmend.
Die grenzenlose Blutgier der Bestien kam den Bedrängten zu Hilfe. Tote Wölfe wurden von ihren Artgenossen zerrissen. Mehrere Wölfe kämpften um ihre Beute. Einige schwammen mit schweren Brocken aus Fleisch, Knochen und schwarzem Fell in den Mäulern zum Ufer zurück. Doch es waren zu viele. Diejenigen, die nichts abbekamen, bedrängten Mythor und die Gefährten weiter. Nottr stöhnte und fluchte, und seine
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