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Der Wolfsmann

Der Wolfsmann

Titel: Der Wolfsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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Starre wie die Wölfe. Alles um Mythor herum wirkte wie tot. Er schien der einzige zu sein, der noch lebte, dachte und sah. Wenn er jetzt frei gewesen wäre.
    Die Zeit verstrich. Die Stille war vollkommen. Dann veränderte sich das Glühen des Statuenkopfes. Es wurde eine Spur schwächer. Plötzlich fiel dunkelrotes Licht auf Nyala. Es war nicht sehr hell, und doch schmerzten Mythors Augen, als er sich zwang, Nyala anzusehen.
    Er hielt den Atem an, zerrte wider besseres Wissen an seinen Fesseln. In diesem Augenblick, erkannte er, griff die von Corchwll beschworene Macht nach ihr.
    Und Nyala begann sich zu bewegen.
    *
    Dunkelheit. Kraft und Macht. Geborgenheit in der bodenlosen Tiefe dessen, das sie einhüllte und lockte. Nyalas Konzentration war an ihrem Höhepunkt angelangt. Sie hatte getan, was Corchwll sie geheißen hatte. Alle äußeren Einflüsse waren abgeschirmt. Nichts mehr drang an sie heran, außer der Ausstrahlung des Dämons. So sollte es sein.
    Öffne deine Seele! Vergiss, wer du gewesen bist! Öffne dich ganz der Kraft, die in dich dringen wird! Nimm sie auf, atme sie! Koste sie wie süßen Wein! Rufe sie!
    Nyala dachte diese Worte, immer wieder. Es gab nur noch sie. Sie waren der Mittelpunkt ihres Denkens und ihres Lebens. Nyala war bereit, die Kraft anzunehmen. Sie gierte nicht mehr danach. Alle Gefühle waren ausgeschaltet. Ihr Bewusstsein war weit offen für das, was kommen und von ihr Besitz ergreifen würde.
    Doch als es kam, war das, was sie überflutete, so heftig, dass es für einen kurzen Augenblick die Barrieren zerriss, die Nyala um sich herum aufgebaut hatte. Stechender Schmerz durchfuhr ihr Bewusstsein. Wie siedend heißes Öl brannte es sich in die Kanäle ihres Denkens, ließ sie stumm aufschreien. Es kam zu schnell, viel zu heftig! Irgend etwas explodierte in ihr. Die Schwärze wurde aufgerissen. Risse entstanden und ließen Licht eindringen, das noch mehr schmerzte als das Fremde. Nyala von Elvinon erwachte aus ihrer Trance.
    Sie sah: den Wolfsmann, die schreckliche Statue, eben noch Zentrum all ihres Sehnens.
    Und vor ihr ein Gesicht aus einer Welt, die einmal die ihre gewesen war. Ein Name flammte in ihr auf. Mythor!
    Nyala wusste nicht, was sie tat, als sie ihren Platz verließ. Es war kein bewusstes Handeln, als sie sich nach einem der neben dem Altar liegenden Messer bückte. Irgend etwas lenkte sie, was tief aus ihr herauskam und für Augenblicke stärker war als das, was mit aller Macht versuchte, sie wieder in seine Gewalt zu bringen. Wie eine Marionette bewegte sie sich auf Mythor zu.
    Er rief ihren Namen, als sie sich über ihn beugte. Seine Worte wurden von der Dunkelheit in ihr geschluckt. Nyalas Hände gehörten ihr nicht mehr, und als sie an ihren Platz neben der Statue zurückkehrte, war keine Erinnerung an das in ihr, was sie getan hatte.
    Die Dunkelheit breitete sich wieder in ihr aus, kroch in ihr Bewusstsein, verschlang das Licht, das sie für Augenblicke zurückgewonnen hatte.
    Öffne deine Seele! Öffne dich ganz der Kraft, die in dich dringen wird! Nimm sie auf, atme sie! Koste sie wie süßen Wein! Werde nicht müde, sie zu rufen!
    *
    Mythor war unfähig, sich zu bewegen. Fassungslos sah er, wie Nyala sich wieder neben die Statue stellte, genau in den Kegel roten Lichtes aus dem hölzernen Wolfsschädel.
    Er war frei!
    Mit aller Kraft seines Willens zwang er sich dazu, den Blick von Nyala zu nehmen, die Gedanken daran, was mit ihr vorgegangen war, zu verscheuchen.
    Er war frei. Die Fesseln waren durchschnitten. Das Messer lag in seiner Hand. Und Corchwll hatte nichts bemerkt. Die Wölfe kauerten nach wie vor wie scheintot um den freien Platz herum.
    Mythor zögerte nicht länger. Dies war seine Chance, auf die zu hoffen er nie aufgehört hatte. Die Zeit war knapp. Wenn der Wolfsmann aus der Trance erwachte, nützte ihm die Freiheit nichts mehr. Mythor durchtrennte mit einigen schnellen Schnitten auch die Beinfesseln, sprang auf und befreite Nottr.
    Der Barbar wusste nicht, wie ihm geschah. Mythor rüttelte an seinen Schultern, bis sein Blick sich klärte. »Was. Mythor! Was ist.?«
    »Still!« flüsterte Mythor, bereits dabei, Sadagars Fesseln zu durchschneiden. »Hol unsere Waffen und kümmere dich um Kalathee!«
    Nottr sprang auf, ohne zu begreifen, was um ihn herum vorging. Er lief zum Altar, kam mit seinem Krummschwert, Alton und einigen Messern zurück und durchtrennte Kalathees Fesseln. Mythor nahm das Gläserne Schwert. Es fiel ihm schwer zu stehen.

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