Der Wolfsmann
verhallten Sadagars Proteste ungehört. Wieder war er allein mit den beiden Frauen, Auge in Auge mit den lauernden Wölfen, geradezu auf Tuchfühlung mit etwas, das aus der Tiefe kam und zu dem sich Nottr und Mythor hinabbegeben hatten, ohne dass er etwas tun konnte, um ihnen zu helfen. Er musste bei den Frauen bleiben.
Die Zeit zog sich endlos lang hin. Sadagar war an der Felswand zwischen Nyala und Kalathee. Vor ihm schäumte das Wasser im fahlen Licht der leuchtenden Steine. Immer weniger der grünen Pfeile schossen an die Oberfläche, zuckten in der Luft und fielen klatschend und schlaff ins Wasser zurück. Was dort unten in der Tiefe saß, starb. Es lag in den letzten Zuckungen. Nottr hatte sich geopfert, dachte Sadagar erschüttert: Das, was er, Mythor und Kalathee so sehr gefürchtet hatten, war eingetreten.
Steinmann Sadagar stieß einen Freudenschrei aus, als er seinen Irrtum erkannte. Mythors Kopf tauchte auf, daneben Nottr. Diesmal war es umgekehrt. Mythor kam mit dem bewusstlosen Lorvaner herangeschwommen. Sadagar packte mit an. Zusammen mit Mythor brachte er den Barbaren auf den Felsvorsprung unter Wasser, auf dem sie standen.
»Das Biest stört uns nicht mehr«, sagte Mythor, während er Nottr ins Bewusstsein zurückzubringen versuchte. »Ich habe einen Tunnel entdeckt. Auf der anderen Seite sind wir vor den Wölfen sicher.«
Mythor sagte es ohne großen Optimismus. Sadagar kannte den Grund. Vor den Wölfen sicher, aber immer noch gefangen in diesem unterirdischen Labyrinth, das vielleicht erst einen Teil seiner Schrecken offenbart, vielleicht nur einen kleinen Vorgeschmack gegeben hatte. Außerdem würden die Wölfe nach einem anderen Weg aus der Höhle suchen.
Nottr kam zu sich. Er hustete und spuckte Wasser aus. Dann schlug er endlich die Augen auf. »Was ist.?«
Mythor und Sadagar erklärten ihm, was geschehen war, dass Mythor ihn bewußtlos in den Fangarmen des Ungeheuers gefunden hatte und ihn im letzten Augenblick aus der Umklammerung befreien und an die Oberfläche bringen konnte.
»Dann hast du mir das Leben gerettet«, murmelte Nottr. »Schon wieder.«
»Du hast mich gerettet, Barbar. Wir sind quitt.« Mythor zwinkerte Sadagar zu und sagte noch: »Schon wieder.«
In gut gespielter Verzweiflung schüttelte der Steinmann den Kopf. »Ich verstehe nicht, wie jemand in unserer Lage scherzen kann«, beschwerte er sich. »Wie sieht es auf der anderen Seite aus, Mythor? Wie lang ist der Tunnel?«
Mythor verstand, was er meinte. Er und Nottr waren gute Taucher.
Sadagar machte sich auch keine Sorgen um sich selbst. Aber die Frauen?
Kalathee nickte tapfer und brachte ein Lächeln zustande. Doch Nyala hatte den Blick noch immer in die Ferne gerichtet.
»Wir nehmen sie in die Mitte, Nottr«, sagte Mythor. »Wir werden sie durchbringen!«
»Und wenn sie nicht atmet? Wenn sie den Tod suchte?«
»Sie wird atmen.«
Nottr fluchte leise vor sich hin. Er sah an sich hinab. Keine Wunden, nur rote Stellen, wo die Fangarme in sein Fleisch geschnitten hatten. »Wartet!« knurrte er und tauchte.
»Was ist jetzt schon wieder?« fragte Sadagar irritiert und gereizt.
Nottr selbst gab die Antwort. Nach kurzer Zeit kehrte er an die Oberfläche zurück, sein Krummschwert triumphierend in der Hand. »Das Ding dort unten braucht kein Andenken an mich«, sagte er grinsend. »Von mir aus kann es losgehen.«
Mythor und Nottr packten Nyala an den Armen. Sie holten tief Luft. Nottr wollte sich schon ins Wasser gleiten lassen, als Mythor den Kopf schüttelte.
Nyala hatte nicht einmal leicht Luft geholt.
»Und sie wird atmen«, sagte Mythor finster. »Lass sie noch einmal los, Nottr.«
Mythor nahm Nyala in den linken Arm und tauchte ihren Kopf unter Wasser. Als er sie hochzog, schnappte sie schreiend nach Luft. Mythor ließ sie tief einatmen, dann legte er ihr die Hand vor Mund und Nase. »Jetzt, Nottr!«
Der Lorvaner hatte sein Schwert wie Mythor in den Gürtel gesteckt und griff wieder zu. Nyala verdrehte die Augen, als die Männer sie mit sich in die Tiefe zogen. Sadagar folgte mit Kalathee.
Diesmal brauchte Mythor nicht lange zu suchen. Mit der sich windenden Nyala zwischen sich tauchten er und Nottr in den Tunnel. Endlich kam Nyala zur Ruhe. Mythor und Nottr verlangten sich das Letzte ab, um so schnell wie möglich wieder aufzutauchen.
Kalathee und Sadagar folgten in Sichtweite, soweit man von »Sicht« sprechen konnte. Alles, was in der fast vollkommenen Dunkelheit zu erkennen war, war der leichte
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