Der Wolfsthron: Roman (German Edition)
zieht es vor, dass Eurer Schwester Lydia oder Eurem Bruder Ira diese Aufgabe zufällt«, warf Lord Bayar ein.
Bei den Gebeinen, dachte Amon. Es überraschte ihn, dass Lord Bayar von seiner Schwester und seinem Bruder wusste. Und es gefiel ihm nicht. Lydia zum Hauptmann zu ernennen würde für sie das Aus bedeuten. Sie war eine Künstlerin und hatte keinerlei militärische Ausbildung. Aber obwohl sie eine Byrne war, würde sie den Zielen der Bayars natürlich weniger im Wege stehen. Andererseits würde Lydia schnell in Gefahr geraten, und die Königin hätte nicht sehr viel Schutz.
Und Ira war gerade mal elf Jahre alt. Er würde erst in zwei Jahren auf die Akademie gehen.
»General Klemath, Ihr habt recht«, sagte Amon. »Ich hätte damit rechnen sollen. Es ist nur – die Dinge verändern sich so rasch, dass es schwer ist, Schritt zu halten. Ich hatte erwartet, mich noch viele Jahre in der Wache der Königin auf diesen Posten vorbereiten zu können. Angesichts des tragischen Verlustes der Königin und des Verlustes meines Vaters … ich schätze, es wird einfach eine Weile dauern, bis ich mich an die Vorstellung gewöhnt habe.«
Bayar sah ihn mit einer Miene an, als wollte er sagen: Lasst es nur nicht zu lange dauern.
»Korporal Byrne«, sagte Mellony. »Eines haben wir gemeinsam: Wir sind beide in eine Situation geworfen worden, mit der wir nie gerechnet hätten. Wir können zusammen lernen, Ihr und ich.«
Amon nickte. »So habe ich das noch gar nicht betrachtet«, erwiderte er.
Das ist genau das, was wir nicht brauchen, dachte er. Eine junge, formbare, unerfahrene Königin, und ein Hauptmann der Wache, der noch grün hinter den Ohren ist.
»Dann seid Ihr also einverstanden?«, fragte Mellony und beugte sich eifrig vor; wie ein Kind, das nicht wollte, dass man ihm etwas abschlug.
Amon neigte den Kopf. »Ja«, sagte er. »Ich fühle mich geehrt, als Hauptmann der Wache der Königin dienen zu dürfen, Eure Hoheit.« Letztlich tat er das sogar schon.
Lord Bayar musterte ihn eingehend, dann nickte er. Er wirkte zufrieden. »Gut.« Er sah Redner Jemson an. »Gibt es dafür nicht irgendeine religiöse Zeremonie?«, fragte er mit deutlichem Desinteresse. »Werdet Ihr Euch darum kümmern?«
Redner Jemson nickte. »Üblicherweise findet sie zur Zeit der Krönung statt«, sagte er. »Ich werde sie ebenso wie alles andere vorbereiten.«
Dafür, dass Jemson ein Tempelgeweihter ist, ist er ein ziemlich guter Lügner, dachte Amon.
»Danke, Korporal Byrne«, sagte Lord Bayar und entließ ihn. »Hiermit vertagt sich der Regentschaftsrat.«
Amon stand auf und zog sich mit einer Verbeugung zurück, aber es achtete ohnehin niemand mehr auf ihn. Mellony stieg von ihrem hohen Stuhl herunter und plauderte angeregt mit Micah. Amon sah, wie der junge Magier einen Arm um Mellonys Schultern legte und sie dann zu einem Kuss zu sich heranzog.
Bei dem Gedanken daran, Raisa all diese Neuigkeiten überbringen zu müssen, fühlte sich Amon ganz und gar nicht wohl.
»Korporal.« Amon zuckte zusammen; als er aufsah, stellte er fest, dass Jemson neben ihm stand. »Ich reite jetzt zum Marianna-Gipfel hinauf, um mich um die Vorbereitungen zu kümmern. Wieso kommt Ihr nicht gleich mit? Wir könnten einige Entscheidungen treffen, und Ihr könntet Euch die Beschaffenheit des Geländes ansehen.«
»Danke, ich komme gerne mit«, sagte Amon und riss sich gewaltsam von dem Anblick los, den Mellony und Micah ihm boten.
Redner Jemson folgte seinem Blick. »Es sieht ganz so aus, als wüssten wir, was wir zu tun haben, oder?«
Amon nickte zustimmend.
Am Ende des Tages war Amon sowohl körperlich als auch geistig erschöpft. Die Grauwölfe hatten ihn und Jemson zum Marianna-Gipfel begleitet, da Amon sie als Teil der Ehrenwache für seinen Vater einsetzen wollte. Wie auch immer der Plan letztlich aussehen würde, er wollte während der Gedenkfeier auf Soldaten zurückgreifen können, auf die er sich verlassen konnte. Bei seinen Wölfen handelte es sich um in den Fells geborene Männer und Frauen, abgesehen von Pearlie Greenholt, die Talia gefolgt war und ihren Posten als Waffenmeisterin von Wien House aufgegeben hatte. Sie hatte Wodes Platz in Amons Tripel eingenommen, nachdem dieser in Tamron getötet worden war.
Sie waren das Gelände abgeschritten, auf dem die Beerdigung stattfinden sollte, und Amon hatte sich Notizen gemacht und Zeichnungen angefertigt. Die Urne seines Vaters würde nicht viel Platz in Anspruch nehmen, daher war es nicht
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