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Der Wolfsthron: Roman (German Edition)

Der Wolfsthron: Roman (German Edition)

Titel: Der Wolfsthron: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cinda Williams Chima
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zog einen Pfeil aus dem Köcher und legte ihn an, während er den Blick über die Umgebung schweifen ließ und nach irgendwelchen Überlebenden Ausschau hielt.
    Nichts – die weiße, reine Schneedecke war unberührt. Der Schnee hüllte die Leichen ein, ohne zu schmelzen, also mussten sie kalt sein. Diese Leute waren seit mindestens einem Tag tot.
    Han fühlte sich daran erinnert, wie er einmal in Ragmarket über den Friedhof gegangen war, nachdem Grabräuber am Werk gewesen waren. Zu seinem großen Entsetzen hatte er festgestellt, dass er von lauter Leichen umgeben war, die in Leinen gehüllt auf dem Boden lagen, während neben ihnen die leeren Gräber gähnten. Schreiend war er vom Friedhof gelaufen. Er war damals sieben Jahre alt gewesen, im gleichen Alter wie seine Schwester Mari, als sie verbrannt war.
    Als sich die Pferde schließlich wieder beruhigt hatten, ließ Han sie im Schritt um die Lichtung herumgehen; im Schutz der Bäume achtete er auf jede Bewegung um ihn herum. Die Hütte wirkte verlassen. Der Schnee türmte sich unberührt vor der Tür.
    Han stieg ab und führte Ragger vorwärts. Die Zügel in der einen Hand, kniete er sich neben die erste Leiche und wischte den Schnee beiseite.
    Es handelte sich um ein großes, stämmiges Mädchen, das ein bisschen älter sein mochte als er selbst. Sie sah aus wie ein Schwertfuchtler, auch wenn sie keinerlei Wappen trug, das verraten hätte, wem ihre Loyalität galt. Ihr Umhang war mit gefrorenem Blut verkrustet, und in ihrem Brustkorb steckte ein Armbrustbolzen.
    War sie etwa eine Söldnerin aus dem Süden? War sie in einen Trupp von Demonai-Kundschaftern geraten? Nein, die Demonai benutzten grundsätzlich Langbögen und schwarzgefiederte Pfeile.
    Ragger hob den Kopf und wieherte warnend. Han drehte sich auf den Knien um und zielte mit seinem Pfeil in die Richtung, in die das Pony wieherte.
    Ein reiterloses, kastanienbraunes Pferd stand am Waldrand bei den Bäumen, hatte die Ohren aufgestellt und beobachtete sie.
    Han ließ den Bogen wieder sinken. Als er sich vergewissert hatte, dass das Tier allein war, rief er leise: »Du da. Wo ist dein Besitzer?«
    Das Pferd stapfte schwankend auf sie zu und ging dabei fast zu Boden. Erst jetzt sah Han die Armbrustbolzen, die aus seiner Schulter und seinem Hals ragten. Ein kräftiger Wallach – ein typisches Armeepferd der Fells – mit zotteligem Winterfell. Ganz offensichtlich war das Tier ein Opfer des Kampfes oder Hinterhaltes geworden – was immer es auch gewesen sein mochte, das kürzlich hier stattgefunden hatte.
    Als das Pferd in Reichweite gekommen war, streckte Han seine Hand aus, und der Wallach rieb seine Lippen daran. Über dem Sattel hing eine Tasche, die Han herunternahm, während er beruhigend auf das schwer verletzte Tier einsprach.
    Han durchsuchte den Inhalt der Tasche – es handelte sich um die Ausrüstung eines Soldaten. In einer Seitentasche befand sich eine Zahlungsanweisung von der Wache der Königin der Fells, die auf eine Ginny Foster, Soldat, ausgestellt war.
    Was hatten Blaujacken hier draußen mitten im Sturm zu suchen, noch dazu ohne Uniform?
    Han arbeitete sich jetzt rascher durch das Schlachtfeld und wischte den Schnee von zwei oder drei weiteren Leichen. Sie alle trugen unscheinbare Kleidung, sie alle waren noch jung.
    Auf welcher Seite hatten sie gestanden? Wer hatte sie getötet? War jemand entkommen? Und wo waren ihre Mörder jetzt?
    Es kam ihm nicht sehr klug vor, noch länger hier zu verweilen, auch wenn dieser Kampf längst vorbei war. Wenn die Mörder noch irgendwo in diesem Gebiet lauerten, würden sie vielleicht zur Hütte zurückkehren, wenn der nächste Sturm hereinbrach.
    Han trat wieder zu dem verletzten Pferd. Es stand mit gesenktem Kopf da und atmete schwer und feucht. Es würde wahrscheinlich noch ein oder zwei Tage leiden, ehe sein Leben beendet sein würde.
    »Ganz ruhig«, sagte er und griff dem Braunen unter den Hals. Er tastete mit den Fingern nach der Schlagader, während er gleichzeitig mit der anderen Hand sein Amulett umfasste.
    »Schon gut«, flüsterte er – gefolgt von einem der tödlichen Zaubersprüche, die Crow ihm beigebracht hatte.
    Der Wallach sank sanft zu Boden, und dennoch zitterte Han. Es war das zweite Mal, dass er jemanden mit Magie getötet hatte, und das erste Mal, dass es absichtlich geschah. Vielleicht würde es im Laufe der Zeit leichter werden.
    Er warf einen kurzen Blick in die Hütte, fand aber nichts Brauchbares, außer einen Sack mit

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