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Der Wolfsthron: Roman

Der Wolfsthron: Roman

Titel: Der Wolfsthron: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cinda Williams Chima
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Soldaten warfen ihrem Korporal finstere Blicke zu, ehe sie die Suche wieder aufnahmen – wenn auch diesmal etwas vorsichtiger.
    Dann stimmte es also. Gillen und eine Gruppe von Abtrünnigen hatten ihren Befehlshaber und all diejenigen umgebracht, die mit ihm geritten waren. Vermutlich war Byrne das eigentliche Ziel gewesen, und jetzt wollten sie die Sache nur noch zu Ende bringen, damit niemand mit diesem Wissen übrig blieb.
    Han traf eine Entscheidung.
    Er kroch am Rand der Schlucht entlang, bis er gegenüber der Stelle war, wo sich das Mädchen versteckt halten musste, ziemlich nah bei Korporal Markel.
    Für das, was er vorhatte, benötigte er keine Magie.
    Er legte einen Pfeil an die Sehne seines Langbogens und zog sie bis zum Ohr zurück, dann ließ er den Pfeil los. Aus dieser kurzen Entfernung war die Wucht des Treffers so heftig, dass Markel halb herumgerissen wurde, bevor er mit dem Gesicht nach unten in den Schnee fiel.
    Han war bereits wieder in Bewegung, noch bevor der Korporal auf dem Boden lag. Die Rufe einiger Männer erklangen aus der Tiefe der Schlucht und hallten von den Felswänden wider. Wenn es ihm gelang, die Mistkerle wegzulocken, hatte das Mädchen vielleicht eine Chance, sich aus der Schlucht zu schleichen und zu entkommen. Aber ohne Markel schienen die Soldaten nicht zu wissen, was sie tun sollten, denn sie rafften sich weder zur Verfolgung noch zum Rückzug auf. Sie liefen nur wild durcheinander, schwangen drohend ihre Waffen und schossen verspätet ein paar Bolzen in die Richtung, wo Han zuvor gewesen war.
    Han suchte sich ein neues Ziel und ließ einen weiteren Pfeil von der Sehne schnellen. Wieder lief er sofort weiter und schoss noch einmal. Zwei für zwei. Chaos brach aus. Drei der verbliebenen Soldaten rannten jetzt zu ihren Pferden, der vierte fiel mit einem Pfeil im Auge tot um. Han erschoss auch noch die letzten drei, während sie versuchten, auf ihre Pferde zu steigen. Jeder kam ein Stückchen weiter, doch keiner schaffte es, sich in den Sattel zu schwingen.
    »Ihr seid es wohl nicht gewöhnt, dass eure Opfer zurückschießen«, sagte Han. Er wartete ein paar Augenblicke ab, um herauszufinden, ob er noch jemanden übersehen hatte. Einer der gefallenen Soldaten kämpfte sich auf die Knie und kroch mühsam zu einem rotbraunen Wallach ganz in der Nähe. Der Mann war von Han’s Pfeil gleich unterhalb des Brustkorbs getroffen worden und hinterließ eine Blutspur im Schnee, während er – die Hand in einer flehenden Geste ausgestreckt – langsam vorwärtskroch. Der Braune stand da und warf den Kopf zurück. Er verdrehte die Augen, während er aufmerksam zusah, wie der verwundete Mann sich näherte.
    Han stieg mit angelegtem Pfeil, aber noch nicht gespanntem Bogen den Abhang hinunter, sprang leichtfüßig von einem Felsabsatz zum nächsten, bis er schließlich nur noch ein paar Schritte über dem Verwundeten war. Er suchte sich in aller Ruhe eine feste Standposition, zog die Sehne zurück und zielte sorgfältig.
    Der Soldat keuchte dem Wallach zur Begrüßung etwas zu, das Pferd streckte ihm den Kopf entgegen und schnaubte neugierig. Mit letzter Kraft warf sich der Verwundete nach vorn und griff nach dem Steigbügel, dann fing er an, sich schwerfällig daran hochzuziehen und langsam aufzurichten.
    Han’s Pfeil traf ihn sauber im Nacken, und der Mann starb, ohne noch irgendein Geräusch von sich zu geben.
    Zufrieden hängte Han sich den Bogen über die Schulter und ging im Halbkreis bis zu der Stelle, die sich seiner Vermutung nach knapp über dem Versteck des Mädchens befand. »He, du da! Alles in Ordnung?«, rief er.
    Keine Antwort.
    »Sie sind weg.« Er blinzelte in die Schlucht hinunter und versuchte, das Mädchen irgendwo auf dem Absatz unter ihm zu entdecken. »Du bist jetzt in Sicherheit. Ich … äh … hab sie alle verjagt.«
    Noch immer keine Antwort. Andererseits, welchen Grund hatte sie auch, ihm zu glauben?
    Er fluchte leise, dann rutschte und krabbelte er ein Stück nach unten. Um seinen Abstieg zu bremsen, hielt er sich immer wieder an Wacholderzweigen fest und riss sich auf diese Weise die Hände auf. Als er einen schmalen Absatz erreichte, der sich etwa in Mannshöhe über dem Grund der Schlucht befand, sah er im Schnee eine große purpurne Blutlache, an deren Rändern sich bereits Eiskristalle bildeten. Neben der Blutlache lag das gefiederte Ende eines Armbrustbolzens. Sie musste ihn abgebrochen haben.
    Nein.
    »Wo bist du? Ich weiß, dass du verletzt bist. Bitte.

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