Der Wolfsthron: Roman
Als er aufschaute, sah er ein kleines Kind in Clan-Leggins und einer Tunika mitten auf dem Weg stehen. Er blinzelte, und dann waren da zwei, nein vier.
»Er ist verletzt!«, rief eines der Kinder in der Sprache der Clans.
»Und sie auch!«
»Wer sind sie?«
Er hörte Hunde bellen und weiteres aufgeregtes Geschnatter. Eine Woge der Benommenheit erfasste ihn, dann vermehrten sich die Stimmen.
»Willo«, flüsterte er. »Brauche Willo.«
Drei Demonai-Krieger traten zwischen Han und der kleinen Gruppe von Kindern und Hunden auf den Weg. Sie waren mit gespannten Langbögen bewaffnet, zielten jedoch auf den Boden. Sie trugen die schwarzweißgescheckte Kleidung der Demonai. Der größte Krieger griff nach Raggers Zügeln, aber Ragger fletschte die Zähne und stellte sich auf die Hinterbeine, wodurch Han und das Mädchen fast auf den Boden gerutscht wären. Der Demonai wich rasch zur Seite.
»Zurück«, nuschelte Han. Sein Mund und seine Zunge fühlten sich so taub an, dass er kaum zu verstehen war. »Aus dem Weg.«
»Was hast du mit dem Mädchen gemacht, Fluchbringer?«, wollte der Demonai wissen. »Lass sie los.«
Was er sagte, ergab nicht viel Sinn, aber Han war viel zu weit weg, um darüber nachdenken zu können. Er hatte einen Plan. Er hatte die ganze Zeit geübt, die Botschaft immer und immer wieder in seinem Gedächtnis wiederholt.
»Willo«, krächzte er. »Brauche Willo. Das Mädchen ist vergiftet.«
Rebeccas Kopf war zur Seite gesunken und hing wie eine schlaffe Blüte an einem langen Stängel nach unten; ihr Gesicht war in seinen Umhang vergraben.
Die Demonai hoben ihre Bögen. »Nimm die Hand von deinem Fluchstück«, sagte der große Krieger und deutete auf seine vom Umhang verborgene Hand. »Lass das Mädchen los.«
»Geht nicht«, flüsterte Han. »Dann stirbt sie. Wo ist Willo?«
Die Krieger sahen sich an, als wäre das eine schwierige Frage.
»Wo ist Willo?«, rief Han und begann, die Geduld zu verlieren. »Das Mädchen stirbt. Sagt mir, wo sie ist, oder ich reite euch einfach über den Haufen.«
Die Kinder stoben auseinander und rannten zum Camp, als wären Dämonen hinter ihnen her.
»Gib sie uns«, sagte der große Krieger. »Wir bringen sie zu Willo.«
Han schüttelte störrisch den Kopf. Er hatte einen Plan, und das war nicht sein Plan. »Wo ist Willo?«
Die Krieger wechselten wieder einen Blick.
»Hierher«, sagte einer der Demonai. »Folge uns.« Zwei von ihnen begannen, vor Han herzugehen, während der große stehen blieb. Der Bogen ruhte schlaff in seinen Händen.
Han ließ Ragger und die anderen Pferde im Schritttempo losgehen. Als sie an dem großen Krieger vorbeikamen, sah Han aus dem Augenwinkel, wie der Krieger seinen Bogen hob und zielte. Sein getrübter Geist konnte mit dieser Beobachtung allerdings nichts anfangen, konnte sie nicht deuten.
»Nein!«, rief jemand. »Aufhören! Nicht schießen! Das ist Hunts Alone!«
Han sah auf und stellte fest, dass Willo auf sie zurannte. Ihre Mokassins blitzten immer wieder auf, während sie durch den Schnee lief. Die Haare wehten hinter ihr her. Sie trug Weiß – Röcke und darüber ein langes Wildlederhemd und nicht einmal einen Umhang.
Oh, dachte Han träge. Weiß war in den Camps die Farbe der Trauer. War jemand gestorben?
Ein Dutzend jüngerer Kinder umringte sie.
Han’s Sicht verschwamm, und Willo verwandelte sich in einen sich bewegenden Fleck. Er schüttelte den Kopf, um wieder eine klare Sicht zu bekommen, und dann stand sie direkt bei ihm.
Willo streckte die Hand aus und nahm Raggers Zügel, während sie dem Pferd eine Begrüßung zumurmelte. Statt wie immer übellaunig die Ohren anzulegen und die Zähne zu fletschen, schnüffelte der Wallach sanft an ihrer Hand.
Willo sah Han an. »Was ist los, Hunts Alone?«, fragte sie. »Was ist passiert?«
Hinter ihr plapperten die Kinder wie ein Echo in der Sprache der Clans.
»Es ist Hunts Alone!«
»Hunts Alone? Er sieht anders aus.«
»Seine Haare sind noch wie früher.«
»Was hat er da um den Hals?«
»Ist er krank?«
»Wer ist das Mädchen?«
Willo legte ihm eine Hand auf den Arm, und Macht strömte in ihn hinein. Sie stärkte ihn und klärte seinen Kopf so weit, dass er sprechen konnte.
Han zwang die Worte über seine tauben Lippen. »Dieses Mädchen ist vergiftet worden, Willo. Ein vergifteter Bolzen. Und die Spitze ist immer noch in ihr.«
»Von wem?« Sie zischte die Frage beinahe.
»Nicht … nicht Clan. S-Soldaten. Aus den Highlands, glaube ich. Ich weiß
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