Der Wolfsthron: Roman
träumen konnte – eine Zukunft. Auch wenn es keinerlei Versprechungen zwischen ihnen gegeben hatte.
Da tauchte eine Erinnerung auf, völlig ungebeten und unerwünscht – an jenen Tag in Odenford, an dem er und das Mädchen, das er damals nur als Rebecca kannte, beschlossen hatten, miteinander auszugehen. Er hörte wieder, was sie an diesem Tag zu ihm gesagt hatte, hörte die Warnung, die er erst jetzt richtig verstand.
Ich werde dich auch verletzen, auch wenn ich es nicht will. Ich bin nicht das Mädchen, für das du mich hältst. Und du wirst dich an diese Unterhaltung erinnern und dir wünschen, du hättest auf mich gehört. Wie kannst du das hier wollen, wenn du von Anfang an weißt, dass es schlecht enden wird?
Er war wütend gewesen, als er zuerst gedacht hatte, die Bayars hätten ihm seine Zukunft gestohlen. Und dann hatte sich herausgestellt, dass seine Hoffnung auf Schlacke und Sand gebaut war.
Jetzt wusste er, dass er keine Zukunft mit Rebecca Morley haben würde. Rebecca Morley existierte nicht.
Er kam sich wie ein Narr vor, wie das Opfer eines grausamen Scherzes. Und er hasste es, sich wie ein Narr vorzukommen.
Für eine Blaublütige ist das Mädchen wirklich zäh, hatte er vor einer Ewigkeit gedacht. Vielleicht zäh genug, um es mit mir auszuhalten. Er hatte nicht daran gedacht, dass er vielleicht nicht zäh genug sein könnte, um es mit ihr auszuhalten.
»Ich mag sie«, gab Dancer zum Besten, als wäre er Han’s Gedankengang gefolgt. Als Han ihn finster anstarrte, zuckte er mit den Schultern. »Ich kann’s nicht ändern. Ich geb ja zu, ich kenne sie nicht so gut wie du, aber wir könnten es schlechter treffen, was die nächste Königin angeht, und ich glaube, darauf sollten wir uns im Moment konzentrieren. Sie hat Rückgrat – mehr als Marianna, denke ich.«
»Schön, die Fells haben eine bessere Königin, und ich … habe eine Freundin verloren, der ich vertraut habe«, sagte Han mit leiser, verbitterter Stimme.
»Nach dem, was ich mitbekommen habe, bedeutest du ihr sehr viel«, erzählte Dancer. »Sie hat gerade ihre Mutter verloren, und trotzdem ist sie jeden Tag hergekommen und hat sich um dich gekümmert, kaum dass sie selbst wieder aufstehen konnte.«
»Ich bin zweifellos interessant«, sagte Han und ahmte die Sprachmelodie eines Blaublütigen nach. »Ein Streetlord, der zum Magier geworden ist. Oh, wie überaus faszinierend. Das muss ich unbedingt meinen blaublütigen Ladys erzählen. Vielleicht können wir ihn uns teilen. Ich habe gehört, dass diese Gossenkerle im Bett ziemlich aufgeweckt sind.«
Cat schnaubte und verdrehte die Augen, und Dancer lachte ebenfalls. »Weiß sie, dass ihr entfernte Verwandte seid?«, fragte er. »Vetter und Kusine hundertsten Grades oder so?«
Han dachte darüber nach. Er wusste nicht, was ohne sein Beisein besprochen worden war, aber während ihrer großen Enthüllung hatte Raisa nichts Derartiges erwähnt. Elena Cennestre und die anderen wiederum würden nicht allzu wild darauf sein, ihre Aufmerksamkeit auf die Tatsache zu lenken, dass in seinen Adern ebenfalls Hanaleas Blut floss. Dass er tatsächlich einen – wenn auch geringfügigen – Anspruch auf den Thron haben könnte.
Hmmm. Sein Geist raste in verschiedene Richtungen. Ehrgeizige Richtungen, wie Cat sagen würde.
»Was heißt das, ihr seid verwandt?«, fragte Cat und holte Han wieder ins Gespräch zurück. »Meint er, verwandt mit der Königin?«
Han schüttelte den Kopf. »Spielt keine Rolle. Ist nicht wichtig. Wir sind wahrscheinlich alle mit der Königin verwandt.«
»Wie auch immer«, sagte Dancer, »mir geht es um Folgendes: Ich will nicht, dass wir in einem Krieg zwischen den Clans und dem Magierrat draufgehen. Die einzige Möglichkeit, wie wir einen Krieg verhindern können, besteht darin, den Magierrat davon abzuhalten, sich mit Gewalt zu holen, was er haben will. Das wird schwer zu erreichen sein.«
Er knetete ausgiebig seine Finger. »Wahrscheinlich fühlen sich die Magier im Augenblick ziemlich mächtig, falls unsere Vermutungen stimmen. Sie haben höchstwahrscheinlich die Königin getötet und glauben, sie hätten auch die Erbprinzessin umgebracht, und außerdem stehen sie kurz davor, ihre eigene Kandidatin auf den Thron zu setzen und mit einem Magier zu verheiraten. Was ganz sicher zu einem Krieg mit den Clans führen wird. Wir müssen sie dazu bringen, sich zurückzuhalten. Und wir haben nur eine einzige Chance, das zu schaffen: wenn wir mehr Blitzkraft haben als
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