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Der Wolkenatlas (German Edition)

Der Wolkenatlas (German Edition)

Titel: Der Wolkenatlas (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mitchell
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meinen Albträumen heim. Ernie kam schnaufend mit einem Hammer und ein paar langen Nägeln herbeigelaufen. Er vernagelte die Tür und sperrte die knurrende Bluthündin in ihr selbst ersonnenes Gefängnis.
     
    An der Rezeption hörten wir, wie Dominostein vier am Haupttor wie ein Wahnsinniger auf die Gegensprechanlage eindrosch. Veronica wusste, welchen Knopf sie zu drücken hatte. «Ich hämmere jetzt seit geschlagenen zehn Minuten auf dieses verdammte Mistding ein, während meine Mutter vor sich hin stirbt!» Johns Hotchkiss war in Rage. «Können Sie mir mal sagen, was diese Sch**** soll?»
    «Ich musste Dr.   Conway helfen, Ihre Mutter zu fixieren, Mr.   Hotchkiss.»
    «Fixieren? Bei einer Pleuritits ?»
    Veronica drückte auf Öffnen, und das Tor am anderen Ende des Geländes schwang, so hofften wir jedenfalls, weit auf. (Ich komme den Leserbriefschreibern zuvor, die sich womöglich fragen, warum wir nicht einfach den Knopf drückten und Reißaus nahmen, indem ich erklärend anführe, dass sich das Tor nach vierzig Sekunden automatisch wieder schloss, der Empfang normalerweise besetzt war und viele Kilometer winterliche Moorlandschaft vor uns lagen.) Durch den eiskalten Nebel drang lauter werdendes Reifenquietschen. Ernie versteckte sich hinten im Büro, während ich den Range Rover auf der Treppe in Empfang nahm. Johns Hotchkiss’ Gattin saß am Steuer.
    «Wie geht es ihr?», fragte Hotchkiss, während er die Treppe hinaufeilte.
    «Sie weilt noch unter uns, Mr.   Hotchkiss, und sie fragt nach Ihnen.»
    «Gott sei Dank. Sind Sie Conway?»
    Ich wollte tiefer gehende medizinische Fragen unbedingt vermeiden. «Nein, der Doktor ist bei Ihrer Mutter, ich bin bloß ein Mitarbeiter.»
    «Ich habe Sie noch nie gesehen.»
    «Eigentlich arbeitet meine Tochter hier als Pflegehelferin, aber wegen des Personalmangels und des Notfalls mit Ihrer Mutter habe ich mein Rentnerdasein unterbrochen, um den Empfang zu besetzen. Darum hat es mit dem Öffnen ein wenig gedauert.»
    Seine Frau schlug die Autotür zu. « Johns! Bist du noch bei Trost? Hier draußen friert es, und deine Mutter liegt im Sterben. Könnten wir die Verstöße gegen das Protokoll vielleicht später klären?»
    Inzwischen war Veronica in einer paillettenbesetzten Nachtmütze erschienen. «Mr.   Hotchkiss? Wir sind uns schon einige Male begegnet. Ihre Mutter ist meine beste Freundin hier. Bitte gehen Sie schnell zu ihr. Sie liegt in ihrem Zimmer. Der Arzt hielt es für zu gefährlich, sie zu verlegen.»
    Johns Hotchkiss roch Lunte, doch wie konnte er dieses liebe alte Mütterchen der hinterhältigen Verschwörung bezichtigen? Seine Frau scheuchte ihn keifend den Korridor hinunter.
     
    Ich saß wieder hinter einem Steuer. Ernie bugsierte seine arthritische cara und eine übertrieben große Zahl Hutschachteln in den Fond und sprang auf den Beifahrersitz.
    Ich hatte mir nach dem Abgang von Madame X kein neues Auto mehr gekauft, und die unmotorisierten Jahre fielen nicht so leicht von mir ab, wie ich gehofft hatte. Verflucht nochmal, welches Pedal war doch gleich welches? Gas, Bremse, Kupplung, Spiegel, Blinker, Gangschaltung. Ich griff nach dem Schlüssel im Zündschloss.
    «Worauf warten Sie denn?», fragte Ernie.
    Meine Finger beharrten darauf, dass der Schlüssel fehlte.
    «Beeilung, Tim, Beeilung!»
    «Kein Schlüssel. Verflucht, kein Schlüssel.»
    «Er lässt ihn immer im Zündschloss stecken!»
    Meine Finger ließen nicht von ihrer Meinung ab. «Seine Frau ist gefahren! Sie hat den Schlüssel! Das verfluchte Weibsbild hat ihn mitgenommen! Beim heiligen verdammten Judas, was machen wir jetzt?»
    Ernie sah auf der Armatur nach, im Handschuhfach, auf dem Fußboden.
    «Können Sie ihn nicht kurzschließen?» Verzweiflung lag in meiner Stimme.
    «Seien Sie nicht blöd!», schrie er mich an, während er im Aschenbecher fingerte.
    Dominostein fünf stand wie festgeklebt in der Vertikalen. «Entschuldigung …», sagte Veronica.
    «Sehen Sie unter der Sonnenblende nach!»
    «Da ist nichts außer einem verfluchten, verfluchten, verfluchten …»
    «Entschuldigung», wiederholte Veronica. «Ist das ein Autoschlüssel?»
    Ernie und ich drehten uns um und schrien beim Anblick des Sicherheitsschlüssels «Neiiiiiin» in Stereo. Wir schrien noch einmal, als wir sahen, wie Withers, dicht gefolgt von zweimal Hotchkiss, den nachtbeleuchteten Korridor des Anbaus hinunterstürmte.
    «Oh», sagte Veronica. «Der Dicke hier ist auch rausgefallen …»
    Wir sahen, wie

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