Der Wolkenkratzerthron (German Edition)
befürchten?
Nun ja , ergänzte eine heimtückische innere Stimme, da wären ja noch die zweitausend andern mit Bronze und Stein gepanzerten Soldaten, die ebenfalls Stahl spalten können. Lass uns besser nicht drüber nachdenken, welche Teile von dir sie womöglich mit bloßen Händen zerschmettern, wenn sie dich in die Finger kriegen, einverstanden?
Petris nahm einen Riesenschluck Kloakenfusel und zuckte zusammen, als das faulige Fäkalienaroma seine Mundhöhle füllte. Das Zeug schmeckte scheußlich, aber immerhin war es das stärkste Gesöff, das er zusammenbrauen konnte, und die Wärme rieselte bereits in seine Muskeln, der Mief waberte durch sein Hirn. Er entspannte sich.
Cromwell war zufällig zu ihm herübergewankt gekommen, als er gerade dabei gewesen war, den Destillierapparat aufzustellen. Der bronzene Roundhead hatte einen scharfen Blick auf den Glaskolben mit dem Fusel geworfen und gefragt: »Was ist denn der Anlass, alter Knabe?«
Petris hatte sich an einem wenig überzeugenden Lachen versucht. »Ach, ich feiere bloß ’n bisschen, weißt du: dieser blasierten Wanderratte endlich mal gesagt zu haben, dass er von mir aus auf seiner Eisenstange in den Sonnenuntergang reiten kann.«
Daraufhin hatte auch Cromwell gelacht und sogar die Mühe auf sich genommen, sich an den bronzenen Helm zu tippen, um seinen Hohepriester zu grüßen. Hinter seiner steinernen Maske war Petris’ Blick der Spitze von Cromwells Schwert gefolgt, während der Puritaner sich aus dem Zimmer geschoben hatte.
Wovor habe ich mich zu fürchten?
Wie zur Antwort fing eine der Schaukeln an, sich hin und her zu bewegen. Quietsch, quietsch. Es war kaum zu erkennen, doch der Raum über dem Schaukelsitz wirkte jetzt dichter, massiver als noch vor ein paar Sekunden. Eine schemenhafte menschliche Gestalt war auf dem Sitz erschienen, schwarz in der Dunkelheit, und nun holte sie Schwung mit ihren Beinen und schaukelte wie ein Kind. Als schlanke Hände sich um die Ketten legten, sickerte etwas Zähflüssiges unter den Fingernägeln hervor und kroch das Metall hinab. Ein beißender, scharfer Geruch stieg Petris in die Nase.
Quietsch, quietsch. Qu– Das Öl hatte die Scharniere der Schaukel erreicht, das Quietschen hörte auf.
Die schwarze Gestalt schaukelte weiter vor und zurück. Nur das Tropf-Tropf des Öls, das von den nackten Füßen rann, störte jetzt noch die Stille.
Seine Zähne waren drauf und dran loszuklappern, doch Petris nahm grimmig einen weiteren Schluck aus seinem Glaskolben und ertränkte sämtliche Indizienbeweise für seine Angst in fünfundvierzig-volumenprozentigem Alkohol.
Die Schaukel kam zum Stillstand. »Petrisss.« Der Name segelte auf einem zischelnden Chemikalienatem. Zähflüssige Substanzen zogen Fäden zwischen den Lippen, als der Mund der dunklen Gestalt sich öffnete.
»Johnny. Stets ein Genuss.«
»Hassst du dessshalb nach meiner Anwesenheit verlangt?« Die Zischlaute geisterten durch die Luft. » Genusss? Du bissst süchtig danach, so viel issst sattsam bekannt – sonderbar also, dasss du derart selten unsere Gegenwart suchssst, wo sie dir doch ein solcher Genusss issst. Man issst glatt versucht anzunehmen, dasss du dich bei unsss von der Synode … unsicher fühlssst.«
»Oh, bei dir fühl ich mich immer unsicher, Johnny.« Petris launiger Ton war wie kalte Asche.
»Verstehe.« Die schwarze Gestalt seufzte. »Lasss mich nun wisssen, welche Art Dienssst du von mir erbittessst, Steinhaut«, fuhr Johnny Naphtha fort und musterte seine schwarzen Fingernägel, die sich in die Kette der Schaukel krallten. »Und möglichssst rasch – ich dränge dich ungern zur Eile, doch meine Anwesenheit hier issst der Gesundheit der Pflanzen nicht eben zuträglich, du verstehssst.« Er deutete über Petris’ Schulter, und selbst in der Finsternis konnte der Priester erkennen, dass der Baum hinter ihm bereits die Zweige hängen ließ, während die giftigen Öle, die von Johnny Naphthas Füßen tropften, in den Boden sickerten.
Petris starrte auf diesen Quell des Todes wie ein verdurstender Mann auf einen Springbrunnen. »Wer hat denn was von Dienst gesagt?«, krächzte er. Er war heiser vor Durst.
»Wessshalb solltessst du sonssst hier vor mir stehen, deinen Stein in diese lächerliche Visage gepresst und kaum in der Lage, dir nicht dasss Gedärm ausss dem Leib zu kotzen vor lauter Angssst?« Johnny Naphthas Stimme blieb ein ruhiges, höfliches Zischeln. » Selbssstverständlich willssst du etwasss von mir. Alle
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