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Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Titel: Der Wolkenkratzerthron (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Pollock
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mitzählte. Er fluchte.
    »Glas braucht Energie. Victor, such in den Mülltonnen und greif dir sämtliche Essensreste, die du finden kannst – je fauliger, desto besser.«
    »Je fauliger, desto besser?«, erkundigte sich Beth, als der alte Russe davoneilte.
    »Leichter aufzuspalten«, murmelte er kurz angebunden. »Er braucht jetzt alle Hilfe, die er kriegen kann.«
    Victor kehrte mit zwei Handvoll schleimigem Gemüse und einem halben Glas verschimmelter Mayonnaise zurück. Fil zog ein winziges Glasfläschchen aus seiner Tasche, besprenkelte alles mit ein paar Tropfen Flüssigkeit und schaufelte die Essensreste direkt in den schwarzen Plastiksackmagen. Nasen zuckten, Fühler zitterten, dann wimmelte es rund um den Sack von Ungeziefer. Sobald sie gefressen hatten, machten sich die Tiere mit neuem Eifer daran, den Müllgeist wieder zusammenzusetzen. Seine Gestalt trat so plötzlich aus den Abfallhügeln hervor wie bei einem Magic-Eye-Bild.
    Sein Atem ging allmählich ruhiger, und die Anspannung auf Fils Gesicht ließ ein wenig nach. Er schob eine Hand unter das dreckstarrende Haar seines Lehrers und hob den Kopf des Müllgeistes sanft ein Stück an. »Glas, was ist passiert?«, flüsterte er.
    Eine Zeitlang konnte Gossenglas nichts anderes tun, als zu atmen. Seine Papierlippen öffneten und schlossen sich ohne jeden Laut. Schließlich presste er ein einziges Wort hervor, in einem trockenen Wispern: »Reach.«
    Fils Knöchel wurden eine Nuance blasser, als seine Hand sich um Gossenglas’ Haarschopf krampfte. »Reach?«
    Der Müllgeist flüsterte: »Er weiß von … « Mit ungeheurer Anstrengung setzte er sich auf und richtete seinen Blick auf die Weißhells, die sein Starren mit einem düsteren, unsicheren Funkeln erwiderten.
    »Er weiß, was du vorhast«, hauchte Gossenglas weiter. Käfer regten sich sacht unter Schichten von Pappe, und plötzlich leuchtete sein Stolz durch die Patchworkhaut. »Filius, sieh doch nur, was du tust: Du wirst endlich erwachsen«, krächzte er überschwänglich. »Ich bin sehr stolz auf dich.«
    Beth hätte schwören können, dass Fil tatsächlich rot wurde. »Na ja«, murmelte er, »die sind doch erst der Anfang. Ich seh’s echt schon vor mir, wie wir auf die Abrissfelder marschieren mit hundert Whiteys und ’ner Handvoll Reflexos. ›He, Kranfresse, wirf ’nen Blick auf meine Superarmee und mach dir vor Ehrfurcht ins Hemd!‹ Ich hoffe bloß, dass es nicht regnet.« Er schüttelte kläglich den Kopf. »Bis jetzt sind sie ja noch nicht mal ausgebildet, aber – «
    Gossenglas starrte zu ihm hinauf, ein öliger Film legte sich über die Eierschalen. Sein Blick schien an Fils Schulter vorbeizugehen. Oder einfach ins Leere.
    »Glas!«, schrie Fil. Seine Stimme überschlug sich vor Angst. »Glas, bleib bei uns!«
    Gossenglas’ Kopf fuhr herum, die Eierschalenaugen weit aufgerissen. »Sie müssen reichen, Junge«, flüsterte er. »Sie müssen rasch lernen.«
    »Glas, was redest du da?«
    Beth spürte die Stille, ehe er antwortete. »Es ist mir gefolgt – es hat sich auf den Gebäuden versteckt, Filius.« Sein Ton war flehentlich. Ein stinkender Müllhauch drang aus seinem Mund. »Ich hab’s versucht «, fuhr Glas fort, »ich hab’s versucht, aber das Vieh – es hat mich zerfleischt .«
    »Glas, wovon redest du?«
    Glas’ kalkweiße Augen schimmerten im Glanz der Weißhells. »Skelettwolf« , hauchte er.
    Der Schock ließ Fil kurz erzittern; Beth war sicher, dass niemand außer ihr es bemerkt hatte. Dann lockerten sich die Muskeln in seinen Schultern und Armen wieder, wurden sichtbar geschmeidig, während der Griff um seinen Speer fester wurde. Auf sein Gesicht trat die gleiche übermütige Anspannung wie damals, als Beth ihm zum ersten Mal begegnet war. Sie fühlte, wie ihr Herz sich verkrampfte.
    Fil rüstete sich für eine Schlacht.
    »Victor, Kumpel?«
    »Da.«
    »Sei ein Held und mach unsre Weihnachtsbaumsippschaft bereit für ’ne kleine Rauferei.«
    Victor ließ gebieterisch seine Taschenlampe aufblitzten. Die Weißhells begannen wild durcheinanderzulaufen, ihre Gesichter verrieten Unschlüssigkeit. Ein paar von ihnen flackerten zurück.
    »Die fragen, was kommt.«
    Wie zur Antwort gellte ein Geräusch über die Stadt: ein rasselndes, klirrendes Tosen wie eine Lawine aus Eisen und Stahl.
    »Sag ihnen, das hier wird schlimmer als ’ne Bernsteinglüher-Skalpierparty.«
    Die Weißhells fächerten aus und bildeten einen ungeordneten Halbkreis um Fil, der sich in ihrer Mitte über

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