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Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Titel: Der Wolkenkratzerthron (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Pollock
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Gossenglas um. »Tja, wir schon. Nach Einbruch der Dunkelheit hast du die Straße hier ganz für dich allein.«
    Beth griff nach ihrem Rucksack. »Ich werd dir folgen.«
    Er wirbelte herum, seine Züge angespannt und wütend. »Du wärst da grade fast draufgegangen – darum geht’s, und um nichts anderes: Man muss dich ständig beschützen .«
    Beth baute sich direkt vor Fil auf und reckte ihm kampfeslustig ihr Kinn entgegen. »Wieso? Weil ich ’n Mädchen bin?«
    »Nein! Weil du schwach und schwerfällig bist und ’n verfluchter … « Er brach ab, fuchtelte genervt mit den Händen. »Weil du ’n verfluchter Mensch bist! Und ich hab nicht genug Augen – und sie hier hat nicht genug Eierschalen –, und keiner von uns hat ’nen Arm übrig, um jedes Mal deinen mageren Arsch aus der Scheiße zu ziehen, wenn wir einem von denen begegnen.« Er deutete auf die verbogenen Überreste des Skelettwolfs.
    Dann atmete er tief ein und sehr langsam wieder aus, um seine Selbstbeherrschung zurückzugewinnen. »Tut mir leid, Beth«, sagte er. »Ich dachte, ich könnte dir den Rücken freihalten, aber ich kann’s nicht. Du warst so nah dran, in Stücke gerissen zu werden. Das werd ich nicht zulassen.«
    Beths Gesicht war jetzt ganz dicht an seinem. »Ach wirklich?« Ihre Kehle fühlte sich eng und ausgedörrt an, und ihre Stimme klang wie ein Knurren. »Von dir hab ich das hier , schon vergessen?« Sie schob ihren Ärmel hoch, um ihm die vernarbte Wolkenkratzerkrone zu zeigen. »›Gib dein Zuhause auf‹, hast du gesagt. ›Gib alle Sicherheit auf, für immer.‹ Für immer. Nicht ›bis uns irgendwer aufmischt und Beth ’ne Tracht Prügel abkriegt‹. Also, ich hab alles aufgegeben, freiwillig. Du kannst mich jetzt nicht einfach zurückschicken.«
    Beschämt wandte Fil sich ab, also richtete sie ihren grimmigen Blick auf Gossenglas. »Du hast ihm das hier eingeflüstert, oder?«, schleuderte sie ihr entgegen, und ihre Stimme klang jetzt zunehmend schrill. »Bevor du aufgetaucht bist, hätt’s ihm sicher nicht allzu viel ausgemacht, wenn irgendwer mir gewaltig den Arsch aufreißt. Wahrscheinlich wär’s ihm sogar ganz recht gewesen, meine Eingeweide am nächstbesten von den Dingern da baumeln zu sehen!« Sie deutete auf einen nahen Kran, dessen Schwenkarm über dem fernen Hochhaus hing, das in ganz London nur »Die Gurke« hieß.
    »Ach Kindchen«, seufzte Gossenglas leise und zuckte ein wenig zusammen, als hätte Beth soeben ein schmerzhaftes Maß an Naivität offenbart. »Nein, das wäre ihm ganz bestimmt nicht recht gewesen – ganz im Gegenteil.«
    Verblüfft starrte Beth auf den jämmerlich wirkenden Jungen, der vor lauter Scham beinahe schwarz wurde. Schlagartig erinnerte sie sich an den Tag zuvor, als sie gemeinsam dem Spiegelvolk ihr Ultimatum gestellt und kurz darauf ihre Lippen einen Augenblick lang dicht über seinen geschwebt hatten. Sie fühlte einen leisen Schmerz in der Brust, so als hätte jemand mit einem winzigen Hammer gegen ihr Herz geschlagen.
    Gossenglas räusperte sich geziert. »In Wahrheit ist der Prinz derart besorgt um dein Wohlergehen, dass er sich angesichts deiner Verletzlichkeit schlichtweg weigert, ein zweites Mal in die Schlacht zu ziehen, solange du bei ihm bist. Solltest du irgendwie zu Schaden kommen, geriete er vermutlich vollkommen außer sich, würde weinen, wehklagen, sich auf die Brust trommeln und dergleichen mehr … «
    Der Prinz fixierte seinen Lehrer mit zornfunkelndem Blick.
    Irgendwie schaffte Beth es, nicht gleich mit dem Erstbesten herauszuplatzen, das ihr in den Sinn kam. Leider platzte sie stattdessen mit dem Zweitbesten heraus: »Das ist doch nicht meine Schuld! Wär der da nicht so ’ne Scheißmimose – !«
    »Ach, um Thems’ willen!« Fils Speer klirrte über das Kopfsteinpflaster, als er ihn auf den Boden schleuderte.
    Beth wirbelte zu ihm herum. »Oh, tut mir echt leid«, schnappte sie, »hat das schwache, schwerfällige, hilflose kleine Mädchen etwa deine Gefühle verletzt?«
    Fil ließ sich neben Victor sacken, riss ihm die Flasche aus der Hand und nahm einen kräftigen Schluck.
    »Beth« , sagte er. Oder zumindest versuchte er es, denn das Gesöff war offenbar ein gehöriger Rachenputzer, sodass er bloß ein mattes Krächzen zustande brachte.
    »Beth«, setzte er noch einmal an. »Ich kann dich nicht bitten … du kannst nicht von mir verlangen … hör zu, du kannst nicht mitkommen, okay? Eher brech ich dir beide Beine, als dass ich dich in meinem Schlepptau

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