Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Titel: Der Wolkenkratzerthron (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Pollock
Vom Netzwerk:
Viaes so ähnlich machen, wie sie nur können. Im Gegenzug wollten die nichts weiter als irgend’ne Zutat, die in ihren Regalen noch fehlte und die ich zufällig dabeihatte. Nichts, wofür ich zu Lebzeiten ’ne Verwendung hätte. Aber die Typen waren verteufelt scharf drauf.«
    »Im Ernst?« Beth war skeptisch. »Das klingt … billig.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Was die Synode als Preis fordert, lässt sich nicht vorhersehen. Wie Petris gesagt hat, die machen einfach aus allem ’ne Ware.«
    »War’s das, was in dieser Flasche war? Aus der du trinken musstest? War das ihr Preis?«
    Er lächelte dünn. »Das war ein Teil davon.«
    Als er sich schließlich auf die Beine stemmte, tänzelte Beth bereits vor lauter Unruhe und angestauter Energie. Er klopfte sich die lehmige Erde ab und griff nach seiner Eisenstange. »Schon gut, schon gut.« In seinem Tonfall lag die gleiche gutmütige Erschöpfung, in der sie schon oft Väter im Park mit ihren Kleinkindern hatte reden hören. »Also, worauf hast du Lust?«
    Darauf gab es nur eine einzige Antwort. Sie zitterte vor Vorfreude, als sie sagte: »Ich hab Lust zu laufen.«
    Mit unglaublich geschmeidigen Sätzen stürmte Beth voraus, während Fil unsicheren Schritts hinter ihr herstolperte, vom helllichten Tag noch immer vollkommen groggy.
    Sie tauchte durch die Hintertür in die Fabrik und jagte an den modrigen Wänden entlang, die tosend das Echo ihrer beider Gelächter zurückwarfen.
    In einem einzigen Wimpernschlag wischte die Fabrik vorüber, dann waren sie wieder draußen im Sonnenlicht. Er hatte jetzt zu ihr aufgeschlossen, lief mit gespannter Miene knapp hinter ihr, und die Bewegung seiner wirbelnden Beine verschwamm, während er sich neben Beth setzte. Ein ungeheures Glücksgefühl stieg in ihr auf, als das mickrige städtische Grün in Asphalt überging und sie gemeinsam auf einer der Hauptstraßen dahinrasten. Zorniges Hupen drang kreischend aus dem Verkehrsgewühl, das unscharf hinter ihnen zurückblieb.
    Ihr Blick fiel kurz auf sein grinsendes Gesicht, mit dem er sie überholte, und sie biss die Zähne zusammen und trieb sich noch heftiger vorwärts. Sie verstand jetzt, wie er derart schnell laufen konnte: Bei jedem Schritt sogen ihre Füße weitere Kraft aus dem Asphalt – jeder Schritt lieferte frische Energie für den nächsten, und ihr Lauf wurde schneller und schneller.
    Beth jubelte ihren Übermut in den rauschenden Wind; Fil antwortete mit einem Freudenschrei. Durch ihre Füße lernte sie die Stadt kennen : Jedes Mal wenn ihre nackten Sohlen den Boden berührten, wusste sie, dass sie diesen Pflasterstein, dieses Fleckchen Asphalt, seine spezielle Beschaffenheit nie mehr vergessen würde. Selbst mit geschlossenen Augen würde sie jeden einzelnen Quadratzentimeter wiederfinden.
    Stück für Stück schloss Beth zu Fil auf. Als sie ihm zum ersten Mal begegnet war, hatte ihre Kraft nicht gereicht, damals war sie atemlos hinter ihm zusammengesackt. Jetzt waren sie beide Kinder der Stadt, jagten nebeneinanderher durch ihr Zuhause.
    Ein kleiner Jachthafen tauchte vor ihnen auf, ein paar hundert Meter abseits des Flusses. Vor Anker liegende Schiffe schaukelten im trüben Wasser, die eingerollten Segel eng an den Masten vertäut. Ohne innezuhalten, sprang Fil auf eines der Boote, schwang sich ungebremst in die Takelage und hangelte sich weiter von Rahnock zu Rahnock.
    Beth stürmte auf den Rand des Hafens zu.
    Lauf drumrum , drängte eine ängstliche Stimme in ihrem Kopf, lauf drumrum .
    Doch ein anderer Gedanke war lauter. Scheiß drauf , dachte sie und stieß sich ab. Ihr wurde flau im Magen, als sie sich vom ersten Querbalken schwang, doch ihr Griff hielt. Sie ließ sich von ihren neuen Instinkten durch das Gewirr von Masten bis zur anderen Seite des Jachthafens leiten, wo Fil bereits auf sie wartete und mit ausgestrecktem Arm auf Canary Wharf zeigte.
    Mit raschem Blick folgte sie seiner Geste und riss die Augen auf.
    »Hat Spaß gemacht, die Kletterpartie? Wie wär’s dann mit einem von denen?«
    Die drei gewaltigen Wolkenkratzer ragten hoch in den Himmel, erleuchtete Fenster schimmerten in der aufziehenden Dämmerung. Sie waren nur wenige hundert Meter entfernt.
    Beth schluckte hart. Der mittlere Turm, One Canada Square, war das zweithöchste Hochhaus der Stadt. Seine Glas-und-Stahl-Konstruktion erhob sich weit über die Hauptstadt, und die silberne Pyramide an seiner Spitze stach in die Unterseite der Wolkendecke.
    Fil blinzelte.

Weitere Kostenlose Bücher