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Der Wolkenpavillon

Der Wolkenpavillon

Titel: Der Wolkenpavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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versuchte es, doch er war zu klein. Kurz entschlossen zog er sich an der Mauer hoch und half mit den Füßen nach. Tief unter sich hörte er Hayashi mit den Dienstmädchen plaudern. Plötzlich rutschte Masahiro mit dem rechten Fuß an der Mauer ab und stieß die Leiter um, die langsam zur Seite kippte und mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden aufschlug. Masahiro gelang es gerade noch, sich auf die schmale Mauerkrone zu ziehen. Panik erfasste ihn. Wie sollte er jetzt von der Mauer herunterkommen?
    »Masahiro?«, rief Hayashi. »Junger Herr? Wo seid Ihr?«
    Vor Schreck verlor Masahiro das Gleichgewicht. Verzweifelt versuchte er sich festzuhalten, bekam in seiner Panik aber nur die Sachen des Gärtnergehilfen zu fassen, nicht das Mauerwerk. Er rutschte ab und landete rücklings auf einem Sandhaufen draußen vor der Mauer. Der Hut und der Kimono des Gärtnergehilfen folgten nach und klatschten ihm ins Gesicht. Masahiro lag benommen da und rang nach Luft, denn der Aufprall hatte ihm den Atem genommen.
    Als er wieder halbwegs klar im Kopf war, bewegte er vorsichtig Arme und Beine. Auch wenn ihm jeder Knochen im Leib wehtat, hatte der Sandhaufen die Wucht des Aufpralls abgemildert, und er schien sich nichts gebrochen zu haben. Mit einer heftigen Bewegung schleuderte er die Sachen des Gärtnerjungen von seinem Gesicht und blickte an der Mauer hinauf zu den überhängenden Ästen der Pinie. Er hörte, wie Hayashi auf der anderen Seite der Mauer rief: »Bei allen Göttern, wo ist er hin? Kammerherr Sano wird mich umbringen!«
    Angst erfasste Masahiro. Wenn Vater davon erfährt, bringt er mich ebenfalls um, schoss es ihm durch den Kopf. Seine Eltern würden ihm niemals glauben, dass er nicht über die Mauer hatte klettern wollen und dass er nur unglücklich von der Mauer gestürzt war.
    Masahiro rappelte sich auf. Er befand sich auf einem Geländestreifen zwischen der Mauer und dem äußeren Bereich des elterlichen Anwesens, über den ein gepflasterter, teilweise aufgerissener Gehweg führte. Masahiro entdeckte eine Schubkarre, Hacken und Schaufeln neben dem Sandhaufen, auf dem er gelandet war. Offenbar wurden die Platten ausgetauscht, mit denen der Gehweg ausgelegt war. Zum Glück für Masahiro schienen die Arbeiter gerade eine Pause zu machen, sonst wäre er ihnen direkt vor die Füße gefallen. Doch Masahiro wusste, dass er seiner Strafe nicht entgehen würde, egal, was er tat.
    Seine Eltern würden ihn erst wieder aus dem Haus lassen, wenn er erwachsen war.
    Plötzlich wurde Masahiro bewusst, dass seine unglückliche Lage ihm eine Chance bot: Jetzt, wo er entkommen war, konnte er ebenso gut die Gelegenheit nutzen und seine Detektivarbeit wiederaufnehmen. Was hatte er schon zu verlieren?
    Er schnappte sich die Sachen des Gärtnergehilfen, die ihm nun mehr als gelegen kamen, und rannte über den Plattenweg davon, bevor Hayashi herausfinden konnte, was geschehen war, und ihm folgte. Masahiro beschloss, aus seiner unerwartet gewonnenen Freiheit das Beste zu machen. Diesmal würde er irgendetwas aufdecken, das wichtig war, so wichtig, dass seine Eltern ihm seinen Ungehorsam verziehen und er, Masahiro, sein schlechtes Gewissen begraben konnte.
    Dass er eigentlich schon die ganze Zeit hatte fliehen wollen, gestand Masahiro sich selbst nicht erst ein.
    *

    Begleitet von seinen beiden obersten Gefolgsleuten, ritt Hirata durch Kuramae - was ungefähr so viel wie »Vor den Lagerhäusern des Shōgun«, bedeutete - in der Nähe des Flusses Sumida. Immer wieder blickte er über die Schulter, denn er hatte das Gefühl, dass die machtvolle Präsenz, die ihm inzwischen fast schon vertraut war, in der Nähe lauerte. Sicher war er sich allerdings nicht.
    Er hatte den größten Teil der Nacht wach gelegen und versucht, mithilfe seiner geschärften Sinneswahrnehmung eine Spur seines unbekannten Feindes zu entdecken. Manchmal hatte er sich ruckartig im Bett aufgesetzt, mit wild pochendem Herzen, und hatte Midori immer wieder aus dem Schlaf gerissen, bis sie sich in ein anderes Zimmer zurückzog, nachdem sie Hirata erklärt hatte, er bilde sich das alles nur ein.
    Vielleicht war es so gewesen.
    Kuramae war für seine vielen Geschäfte bekannt, besonders für die Spielzeugläden und die Dagashyia-san, in denen es Süßigkeiten und billigen Tand zu kaufen gab. In anderen Geschäften wurden Puppen, Drachen und Feuerwerkskörper angeboten. Straßenhändler boten kokeshi -Puppen und Pfeifen feil, die geformt waren wie Kugelfische. Doch Hirata kam

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