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Der Wolkenpavillon

Der Wolkenpavillon

Titel: Der Wolkenpavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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ihr zu suchen.
    Reiko hörte gespannt zu. Vielleicht bot sich ihr nach langer Zeit wieder die Gelegenheit, Sano bei einer Ermittlung zu helfen. »Hast du schon irgendwelche Hinweise?«, fragte sie, ging zum Herd und stellte eine Kanne Sake darauf, um ihn zu erhitzen.
    »Oh, viel mehr als das«, antwortete Sano und kniete sich Reiko gegenüber. »Ich habe Chiyo gefunden. Sie lebt.«
    »Das ist ja großartig!« Reiko wunderte sich über diesen raschen Erfolg. Doch sosehr sie sich auch für Chiyo freute, sie war dennoch enttäuscht. Nun würde es keinen neuen und aufregenden Fall geben. Die Ermittlungen waren bereits abgeschlossen.
    »Ich habe sie zum Haus meines Onkels gebracht«, sagte Sano.
    »Wo deine Mutter aufgewachsen ist, nicht wahr? Wie ist es dort?«
    »Nun ja ... so, wie man es erwarten kann. Alles entspricht dem Rang und dem Ansehen meines Onkels.«
    Reiko spürte, dass Sanos Besuch auf dem Anwesen des Kumazawa-Klans Empfindungen bei ihm ausgelöst hatte, über die er nicht sprechen wollte. »Dein Onkel war bestimmt froh und dankbar, dass du ihm seine Tochter zurückgebracht hast.«
    »Froh war er schon, aber seine Dankbarkeit hielt sich in Grenzen«, erwiderte Sano, dessen ironischer Ton einen bitteren Beiklang hatte. »Er ist ein strenger und harter Mann - ein Samurai alter Schule.«
    »Zum Teufel mit ihm!«, schimpfte Reiko. »Er sollte dir ewig dankbar sein, dass du ihm seine Tochter heil und gesund wiedergebracht hast!«
    »Das stimmt leider nicht ganz.« Sano erzählte von Chiyos jämmerlichem Zustand und fügte hinzu: »Außerdem hat es den Anschein, als wäre sie vergewaltigt worden.«
    Reiko schnappte nach Luft. Auch sie selbst war vor vielen Jahren von einem Verrückten entführt und beinahe vergewaltigt worden. Sie wusste, dass die Folgen einer Vergewaltigung schlimmer sein konnten als der Schmerz und die Angst des Opfers während der Tat selbst.
    Masahiro kam barfuß ins Zimmer getappt. »Was heißt vergewaltigt?«, wollte er wissen.
    Sano und Reiko blickten einander unsicher an. Sie versuchten stets, solche Gespräche zu vermeiden, wenn Masahiro mithören konnte, aber der Junge hatte scharfe Ohren. Außerdem schien er irgendwie zu spüren, wenn etwas Interessantes im Gange war, und erschien auf der Bildfläche, noch bevor seine Eltern bemerkten, dass er überhaupt in der Nähe war. Reiko bedeutete Sano mit einem Blick: Du bist Masahiros Vater, erklär du es ihm.
    »Nun ja ... Vergewaltigt bedeutet, dass man der Frau wehgetan hat«, sagte Sano.
    »Wehgetan?«, fragte Masahiro. »Wie?«
    Sano blickte so ratlos drein, wie Reiko sich fühlte. »Ich erkläre es dir später«, wich er aus.
    »Hat Chiyo gesagt, wer es war?«, fragte Reiko.
    »Sie kann sich kaum mehr an etwas erinnern. Und sie ist noch so mitgenommen, dass Major Kumazawa mich gebeten hat, die Vernehmung zu beenden.«
    »Ist Major Kumazawa mein Onkel?«, fragte Masahiro.
    »Dein Großonkel«, antwortete Sano.
    »Darf ich ihn treffen?«
    Auch Reiko hätte die Familie ihrer Schwiegermutter gern kennengelernt. Natürlich interessierte es sie, woher ihr Mann kam und wie seine Verwandten waren. Dennoch antwortete sie auf Masahiros Frage: »Das muss noch warten.« Die Kumazawas hatten Tage voller Angst und Ungewissheit hinter sich und wollten bestimmt ihre Ruhe haben.
    Reiko blickte Sano an. »Was wirst du jetzt tun wegen Chiyo?«
    »Kumazawa hat mich gebeten, den Entführer zu jagen und ihn zu bestrafen.«
    »Und du hat Ja gesagt?«
    »Natürlich«, antwortete Sano.
    »Kann ich dir helfen?«, fragte Reiko hoffnungsvoll.
    Sano lächelte sie an. »Das kannst du tatsächlich. Kumazawa möchte nicht, dass ich noch einmal mit Chiyo spreche. Natürlich könnte ich ihn dazu zwingen, aber nach allem, was Chiyo durchgemacht hat, will sie wahrscheinlich lieber mit einer Frau reden. Deshalb habe ich Kumazawa gefragt, ob du mit Chiyo sprechen könntest. Er war zwar nicht begeistert, aber er war einverstanden. Willst du das tun?«
    »Das würde ich sehr gern!«, sagte Reiko. Vielleicht bekam sie ja doch noch die Chance, Sano bei der Jagd nach dem Verbrecher zu helfen. Und bei der Gelegenheit konnte sie versuchen, das Verhältnis Sanos zum Kumazawa-Klan zu entspannen.
    »Chiyo wollte sofort nach Hause, zu ihrem Mann und den Kindern«, sagte Sano. »Sie ist mit einem Hauptmann namens Okubo verheiratet, einem Gefolgsmann von Fürst Horio, daimyo der Provinz Idzuma. Chiyo und ihre Familie wohnen auf dem Anwesen des Fürsten. Du wirst dort mit ihr reden

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