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Der Wolkenpavillon

Der Wolkenpavillon

Titel: Der Wolkenpavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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piepsige Kinderstimme, und ihr weiß geschminktes Gesicht erinnerte Yanagisawa an einen mit Puderzucker bestreuten Reiskuchen. »Wie soll ich heißen?« Sie kicherte. »›Chocho‹ würde mir gefallen. Was meint Ihr?«
    Schmetterling?, ging es Yanagisawa durch den Kopf. Ziemlich unpassend für eine so fette alte Wachtel. »Ein wunderbarer Einfall«, sagte er und legte sein höflichstes und charmantestes Verhalten an den Tag. »Chocho ... der Name passt zu Euch. Ihr seid wahrhaftig so schön und anmutig wie ein Falter.«
    Chocho strahlte über ihr ganzes feistes Gesicht. Yanagisawa lächelte zufrieden in sich hinein. Er hatte soeben eine neue Verbündete gewonnen. Setsu jedoch runzelte die Stirn.
    »Es war sehr anstrengend für uns, bei diesem schlechten Wetter eine so weite Reise zu machen«, sagte sie. »Zumal es mit meiner Gesundheit nicht zum Besten steht, wie Ihr wisst.«
    In der Tat wusste Yanagisawa, dass Setsus entstellte Gesichtshälfte ihr große Schmerzen bereitete. »Ich weiß«, erwiderte er und fügte zerknirscht hinzu: »Und ich entschuldige mich, dass ich Euch und Chocho zu dieser Reise gedrängt habe.«
    »Also, mir hat es nichts ausgemacht hierherzukommen«, verkündete Chocho und musterte Yanagisawa mit unverhohlener Begierde.
    Setsu bedachte sie mit einem tadelnden Blick, und die ältere Frau zuckte zusammen und zog den Kopf zwischen die Schultern. Das wunderte Yanagisawa nicht. Er hatte von seinen Spionen erfahren, dass Setsu ihrer Gefährtin an Klugheit überlegen war.
    »Warum habt Ihr für dieses Treffen eine solche Kaschemme ausgesucht?« Mit angewiderter Miene wischte Setsu mit der Hand über die Ärmel ihres Gewandes, als wollte sie Fliegen verscheuchen.
    »Weil dieses Teehaus nicht mit uns in Verbindung gebracht werden kann«, antwortete Yanagisawa. »Und weil wir nur dieses eine Mal hier zusammenkommen werden. Es ist wie geschaffen für ein geheimes Treffen.«
    »Dann hoffe ich, Ihr habt gute Gründe, dass Ihr uns hierherbestellt habt.« In Setsus Stimme schwang eine leise Drohung mit. Yanagisawa war zwar der Stellvertreter des Shōgun, doch ihre edle Herkunft, ihr Alter und die Gereiztheit, die von den ständigen Kopfschmerzen herrührte, ließen Setsu allen gebotenen Respekt vergessen.
    »Oh ja, es gibt einen guten Grund, dass ich Euch hergebeten habe«, sagte Yanagisawa. »Ich möchte Euch ein Angebot unterbreiten.«
    Argwöhnisch kniff Setsu ihr gesundes Auge zusammen. »Was für ein Angebot?«
    »Ich würde gern mit Euch und Chocho zusammenarbeiten - zu unserem gegenseitigen Nutzen.«
    Setsu gestattete sich ein boshaftes Lächeln. »Was habt Ihr denn anzubieten, das uns dazu bringen könnte, mit Euch zusammenzuarbeiten?« Das »Euch«, sprach sie mit einem Beiklang aus, als hielte sie Yanagisawa für einen Dämon in Menschengestalt - was vermutlich auch der Fall war. Yanagisawa störte sich nicht weiter daran. Ihm war es lieber, verabscheut und gefürchtet zu werden, als ein Niemand zu sein.
    »Ich biete Euch die Gelegenheit, das zu bekommen, was Ihr Euch mehr wünscht als alles andere«, sagte er.
    Chocho zupfte Setsu am Ärmel. »Wovon redet er?«
    »Seid still«, sagte Setsu grob, ehe sie Yanagisawa wieder anschaute. »Was wünschen wir uns denn so sehnlich?«, fragte sie mit leisem Spott. »Es geht uns gut! Wir haben alles, was wir brauchen!«
    »Das könnte sich ändern«, entgegnete Yanagisawa und hielt kurz inne, um die unterschwellige Drohung in seinen Worten wirken zu lassen. »Mit der Gesundheit des Shōgun ist es nicht zum Besten bestellt.«
    Setsu musterte ihn argwöhnisch. »Gestern ging es ihm immerhin noch so gut, dass er sich die Turnierkämpfe anschauen konnte.«
    Es entging Yanagisawa nicht, wie klug und gut informiert Setsu war. »Das täuscht«, sagte er. »In letzter Zeit ging es ihm sehr schlecht. Und er wird von Jahr zu Jahr schwächer.«
    »Das geht uns allen so«, erwiderte Setsu. »Außerdem ist allgemein bekannt, dass der Shōgun wehleidig ist und sich viele seiner Krankheiten nur einbildet.«
    »Vergesst nicht, dass er ein alter Mann ist. Ob krank oder nicht - allzu viele Jahre werden ihm nicht mehr vergönnt sein.«
    »Das sagen die Leute schon seit einer halben Ewigkeit«, entgegnete Setsu lächelnd, doch Yanagisawa bemerkte, dass sie sich mit einem Mal Sorgen um die Gesundheit des Herrschers machte - genau wie er gehofft hatte.
    »Niemand lebt ewig«, sagte er. »Und sobald der Shōgun tot ist, was in nicht allzu ferner Zukunft der Fall sein dürfte,

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