Der Wolkenpavillon
Ihr Eure Ehre nicht verteidigen?«
»Ich gebe dir die Chance, mit dem Leben davonzukommen«, erwiderte Hirata gelassen. »Verschwinde! Und dann tun wir so, als wäre das hier nie passiert.«
Das Gesicht des Soldaten lief rot an. »Wollt Ihr damit sagen, ich bin nicht gut genug, um gegen Euch anzutreten? Vor all diesen Leuten?«
»Ich will damit sagen, du sollst dich nicht aufführen wie ein Narr.«
»Ich werde schon dafür sorgen, dass Ihr gegen mich kämpft!«, stieß der Soldat hervor. Er ließ den Blick in die Runde schweifen und entdeckte einen halbwüchsigen Jungen, einen Diener. »He, du! Komm her!«
Der Junge blickte ängstlich drein, als er so plötzlich in das Geschehen hineingezogen wurde. Die beiden Freunde des Soldaten packten ihn und zerrten ihn zu ihrem Kumpan. Der zog sein Schwert und rief Hirata zu: »Wenn Ihr kneift, kämpfe ich gegen diesen Jungen!«
Hirata konnte kaum glauben, wie weit dieser Dummkopf ging, um ihn zu provozieren. »Warte«, sagte er und schwang sich aus dem Sattel. Er durfte nicht zulassen, dass dem unschuldigen Jungen ein Leid geschah.
Die Zuschauer jubelten, als Hirata sich den Gegnern mit blitzschnellen Schritten näherte. Er packte die beiden Kumpane des Soldaten, verdrehte ihnen den Arm und schleuderte sie mit fürchterlicher Wucht zu Boden. Der Junge taumelte unverletzt zur Seite. Der Soldat hob sein Schwert und stürmte brüllend auf Hirata los. Dann geschah alles binnen eines Lidschlags. Geist und Körper Hiratas vereinten sich instinktiv zum Kampf. Ein tiefer Atemzug führte jedem Muskel Sauerstoff zu. Sein Herz schlug schneller und kräftiger, während er in einen Trancezustand fiel. Der Bereich seiner Sinneswahrnehmungen weitete sich, und er richtete den Blick seines geistigen Auges auf die unmittelbare Zukunft, sodass er schemenhafte Schattenbilder der Menschen um sich herum Bewegungen vollführen sah, die erst in wenigen Augenblicken stattfinden würden. Hirata sah den Soldaten um vieles langsamer auf sich zukommen, als es tatsächlich der Fall war. Der Geistkörper des Mannes war seinem fleischlichen Körper stets einen Schritt voraus. Das geisterhafte Schwert beschrieb flirrende Schwünge in der Luft, denen die Klinge aus Stahl einen Wimpernschlag später folgte.
Gedankenschnell glitt Hirata zwischen die beiden Körper, den stofflichen und den nichtstofflichen, wich den Schwerthieben mühelos aus, da er sie kommen sah, bevor sie erfolgten, wirbelte herum und trat dem Soldaten mit voller Wucht in die Magengrube. Der Mann heulte auf und flog rücklings zwischen die Zuschauer, die hastig zur Seite wichen. Hilflos prallte der Mann gegen eine Hausmauer. Sein Kopf wurde gegen den Stein geschmettert. Sein Blick wurde leer, und sein Gesicht erschlaffte, als er an der Hausmauer herunterrutschte, wobei sein Kopf eine schimmernde rote Spur auf dem Stein hinterließ. Als er schließlich nach vorn auf den Gehsteig kippte, schoss das Blut aus seiner Wunde im Schädel.
Der Trancezustand fiel von Hirata ab. Die schattenhaften Geistbilder und die pulsierenden Kraftfelder verschwanden. Hiratas Atmung und sein Herzschlag normalisierten sich. Er fand sich inmitten einer fassungslosen Menschenmenge wieder, die ihn ehrfürchtig anstarrte. Der Soldat lag zusammengekrümmt am Boden. Seine beiden Freunde eilten zu ihm. »Ibe -san !«, riefen sie. »Was ist mit dir?«
»Er wird bald aufwachen«, sagte Hirata mit mehr Zuversicht, als er empfand. Er war erfahren in der Technik, seine geistigen Kräfte so zu bemessen, dass er sich Angreifer vom Leib halten konnte, nur hatte er die Hausmauer, gegen die Ibe mit dem Kopf geprallt war, nicht mit einberechnet.
»Lasst euch das eine Warnung sein!«, rief er in die Runde. »Haltet euch von mir fern!«
Die Menge zerstreute sich. Während Ibes Kumpane ihren bewusstlosen Freund auf sein Pferd hoben und sich davonmachten, näherte sich ein Streifenpolizist, ein doshin, den Hirata noch aus der Zeit kann, als er selbst Polizist gewesen war. Der doshin - er hieß Kurita - war ein älterer Mann mit derbem, fröhlichem Gesicht, gekleidet in einen kurzen Kimono und in eine Überhose aus Baumwolle. Zusätzlich zu seinen Schwertern trug er eine jitte, einen Eisenstab, bei dem unten ein Zinken herausgeschmiedet war, der nach oben wies und mit dem man die Schwertklinge eines Angreifers abfangen, einklemmen und sogar abbrechen konnte. Die jitte gehörte zur Standardausrüstung der Polizei von Edo. Kurita wurde von drei Helfern begleitet, die Seile
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