Der Wolkenpavillon
dabeihatten, um widerspenstige Verbrecher zu fesseln.
»Oje, wenn das nicht Hirata -san ist«, sagte Kurita. »Nicht schon wieder ein Zweikampf! Hat man Euch denn nicht ermahnt, Zweikämpfen aus dem Weg zu gehen?«
»Doch«, sagte Hirata. »Der Shōgun höchstpersönlich.«
Tokugawa Tsunayoshi waren Berichte über Hiratas Zweikämpfe zu Ohren gekommen - sehr zu seinem Missfallen. Der Shōgun verabscheute Gewalt und hatte Hirata befohlen, jeden Zweikampf zu meiden, anderenfalls drohe ihm die Verbannung.
»Wir können nicht zulassen, dass Ihr die hoffnungsvollsten jungen Krieger Edos einen nach dem anderen zum Krüppel schlagt«, murrte Kurita, »schon gar nicht, wenn sie in der Armee des Shōgun dienen.«
»Würden die hoffnungsvollsten jungen Krieger Edos mich in Ruhe lassen«, erwiderte Hirata, »gäbe es das Problem nicht.«
Er ließ Kurita und dessen Helfer stehen und ritt zur Polizeizentrale, die sich auf einem ummauerten Gelände im südlichen Teil Hibiyas befand. Die Wachen ließen Hirata durch das gepanzerte Tor in den Innenhof, der von Kasernen und Stallungen umschlossen wurde. Ein paar kürzlich verhaftete Ganoven kauerten mit gefesselten Händen wie ein Häuflein Elend unter einem Vordach, von dem der Regen tropfte, und warteten auf die Wärter, die sie zum Gefängnis bringen sollten.
Hirata betrat das Hauptgebäude und gelangte in den großen Empfangsraum, der von quadratischen Säulen unterteilt wurde, die eine niedrige Decke stützten. Botengänger kauerten auf dem Fußboden und rauchten ihre Pfeifen, deren Gestank die Luft verpestete. Regenwasser sickerte durch Ritzen in den geschlossenen Oberlichtern und plätscherte in Eimer, die auf einem Podest standen, auf dem drei Schreiber vor ihrem Pult knieten. Der oberste Schreiber begrüßte Hirata. »Es ist lange her, seit Ihr das letzte Mal hier gewesen seid.«
»Da habt Ihr recht, Uchida -san.«
Uchida war ein Samurai mittleren Alters mit einem komisch elastischen Gesicht, das er auf eigentümliche Art und Weise verziehen konnte. Er hatte sein Amt bereits innegehabt, als Hirata noch ein Kind gewesen war, und wusste mehr über Verbrechen, Verbrecher und die Amtsgeschäfte der Polizei von Edo als irgendjemand sonst.
»Was kann ich für Euch tun?«, erkundigte er sich.
»Ich brauche Eure Hilfe in einem Fall, in dem ich ermittle«, antwortete Hirata. »Chiyo, die Cousine von Kammerherr Sano, wurde entführt.«
»Ich habe davon gehört.« Besorgnis spiegelte sich auf Uchidas Zügen, und er senkte die Stimme. »Vergewaltigt, nicht wahr? Das arme Mädchen. Nun ja, wenigstens ist sie jetzt zu Hause und in Sicherheit. Ich hoffe, Ihr fasst dieses Ungeheuer! Wie kann ich Euch helfen?«
»Chiyos Vater sagte zu Kammerherr Sano, er habe sich gleich nach der Entführung seiner Tochter bei der Polizei gemeldet«, begann Hirata. »Stimmt das?«
Uchida nickte und verzog das Gesicht. »Major Kumazawa kam hereingestürmt wie ein General auf einem Rachefeldzug. Er verlangte von uns, alles stehen und liegen zu lassen und seine Tochter zu suchen. Aber das ging ja wohl schlecht, oder? Hätten wir jeden Mann nach dem Mädchen suchen lassen, hätten die Ganoven dieser Stadt sich überall ungestört bedienen können.«
»Das ist wahr«, stimmte Hirata ihm zu. »Aber irgendjemand wird doch nach Chiyo gesucht haben, oder?«
»Natürlich!«, sagte Uchida. »Eine Vermisste ist eine Vermisste. Es wäre unsere Pflicht, nach dem Mädchen zu suchen, selbst wenn Major Kumazawa uns nicht dazu gedrängt hätte.«
Wäre Kumazawa nicht so herrisch aufgetreten, erkannte Hirata, hätte die Polizei sich wahrscheinlich mehr Mühe gegeben und Chiyo möglicherweise eher entdeckt als Sano und seine Leute. »Was haben die polizeilichen Ermittlungen ergeben?«
»Nichts.« Uchida zuckte mit den Schultern. »Unsere Kollegen in Asakusa haben sich in der Umgebung des Tempels umgehört, bei dem Chiyo verschwunden war, aber niemand hat etwas gesehen. Allerdings gibt es eine interessante Neuigkeit, die mit dem Verbrechen zu tun haben könnte.«
»Tatsächlich?«, fragte Hirata verwundert. »Habt Ihr Major Kumazawa denn nichts davon gesagt?« Soviel Hirata wusste, hatte Kumazawa Sano gegenüber nichts von neuen polizeilichen Ermittlungsergebnissen erwähnt.
»Ich hatte noch keine Gelegenheit, es dem Major mitzuteilen«, verteidigte sich Uchida. »Er bekam einen Wutanfall, weil wir nicht sofort nach seiner Pfeife getanzt sind. Und dann ist er hier rausgestürmt, bevor ich auch nur ein Wort zu
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