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Der Wolkenpavillon

Der Wolkenpavillon

Titel: Der Wolkenpavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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Arme, um seine verkrampften Muskeln zu lockern. Er hatte jedes Wort gehört, das Yanagisawa und die Frauen gewechselt hatten. Nun lächelte Toda. Er hatte interessante Neuigkeiten, die er dem Kammerherrn Sano berichten konnte.
    Oder auch nicht.

12.

    An der Fernstraße zwischen Asakusa und Edo ging ein Regenschauer auf die Reisfelder nieder. Sano und sein Gefolge ritten an Menschen vorbei, die in ihren langen Umhängen aus Stroh aussahen wie wandelnde Heuhaufen. Kurz darauf schälte sich ein Reiter, der aus Richtung Edo kam, aus den Regenschleiern. Es war Hirata.
    »Habt Ihr Glück gehabt?«, fragte er, als er heran war, wendete sein Pferd und ritt neben Sano.
    »Ja und nein. Wir haben die Stelle gefunden, an der Chiyo von ihrem Entführer ausgesetzt worden ist. Zur fraglichen Zeit wurde dort ein Ochsenkarren beobachtet, aber den konnten wir nicht finden.«
    »Ochsenkarren sind immer nur da, wenn man sie nicht braucht«, sagte Marume. »Sie stinken und verstopfen die Straßen. Aber wenn man einen braucht, findet man keinen.«
    Sano war mit seinen Männern zu der Baustelle geritten, an der sie bei ihrem ersten Besuch in Asakusa die vielen Karren gesehen hatten, doch wegen des Regens war dort alles leer und verlassen gewesen. Daraufhin hatten sie ganz Asakusa durchkämmt, doch wieder vergebens. Sämtliche Ochsenkarren schienen sich in Luft aufgelöst zu haben.
    »Wir müssen zu den Stallungen, wenn wir herausfinden wollen, welche Fahrer gestern zum Zeitpunkt der Entführung in Asakusa unterwegs waren«, erklärte Sano.
    »Vielleicht kann ich Euch diese Mühe ersparen«, sagte Hirata.
    Sano blickte ihn verwundert an. »Du willst mir doch wohl nicht erzählen, dass die Polizei ernsthafte Ermittlungen über Chiyos Entführung aufgenommen hat und dass es Verdächtige gibt?«
    »Das nicht«, erwiderte Hirata. »Aber der oberste Schreiber in der Polizeizentrale sagte mir, dass vor Chiyos Verschwinden bereits zwei andere Frauen auf ähnliche Weise entführt worden sind. Genau wie Eure Cousine wurden beide Frauen nach wenigen Tagen unweit der Stelle freigelassen, wo sie entführt worden waren.«
    Sano horchte auf. »Wer sind diese Frauen?«
    »Die eine ist Nonne«, antwortete Hirata. »Eine alte Frau namens Tengu-in. Sie lebt in einem Kloster auf dem Gelände des Zōjō-Tempels.«
    »Bei allen Göttern«, stieß Fukida hervor. »Wer vergewaltigt denn eine Nonne?«
    »Sie wurde am ersten Tag des dritten Monats entführt und zwei Tage später aufgefunden«, berichtete Hirata. »Die andere Entführte ist ein zwölfjähriges Mädchen.«
    Sano und die Ermittler schwiegen schockiert.
    »Sie heißt Fumiko«, fuhr Hirata fort. »Zufällig kenne ich ihren Vater, einen Mann namens Jirocho.«
    »Der Verbrecherfürst?«, fragte Sano verdutzt.
    »Genau der.«
    Die Verbrecherzunft war seit der Zeit des Bürgerkriegs ungefähr hundert Jahre zuvor stetig gewachsen. Damals hatten zahlreiche Samurai ihren Herrn auf dem Schlachtfeld verloren und waren als rōnin mordend und plündernd durch Japan gezogen. Tapfere Bauern hatten sich zum Schutz gegen diese Mordbrenner zu Truppen zusammengeschlossen. Doch seit dem Bürgerkrieg war vieles anders geworden. Nachdem die Tokugawa in Japan für Recht und Ordnung gesorgt und ihre Gesetze im ganzen Land durchgesetzt hatten, bestand keine Notwendigkeit mehr, die Dörfer zu schützen, und die Helden von einst hatten sich in die Halunken von heute verwandelt. In ihren Reihen gab es Diebe, Auftragsmörder und Abschaum aller Art. Außerdem gab es die bakuto, die illegale Spielhöllen betrieben, und die tekiya, die verbotene oder gestohlene Waren verkauften. Zu Letzteren gehörte Jirocho.
    »Als ich noch Polizist war«, sagte Hirata, »habe ich Jirocho ein paarmal verhaftet. Er hatte von Markthändlern Geld erpresst, indem er ihnen angedroht hat, ihre Waren zu stehlen und ihre Kunden zu verjagen.«
    »Warum ist er dann nicht im Gefängnis?«, fragte Marume.
    »Er hat einflussreiche Freunde«, sagte Fukida.
    Sano wusste, dass Jirocho und andere Bandenführer hohe Beamte bestachen, um ungestört ihren Beschäftigungen nachgehen zu können. In seiner Funktion als Kammerherr versuchte Sano, der Korruption einen Riegel vorzuschieben, aber es war schwierig, jene Beamten zu erwischen, die mit der Unterwelt zusammenarbeiteten. Außerdem wurde die Jagd auf Verbrecher oft nur halbherzig geführt. Leute wie Jirocho waren nützlich für die Regierung, denn sie halfen, die wachsende Schicht der Händler und Kaufleute unter

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