Der Wolkenpavillon
du, so freundlich und höflich zu sein wie der nette junge Mann, der du bist.«
Yoritomo straffte die Schultern. Er war nicht zu übersehen, dass er schwer an der Last der Verantwortung trug. »Ja, Vater«, sagte er tapfer. »Ich verspreche dir, dass ich dich nicht enttäusche.«
In einiger Entfernung erschienen drei Gestalten. Yoritomo schluckte schwer. »Da sind sie!«
»Nur die Ruhe«, sagte Yanagisawa. »Du brauchst keine Angst zu haben. Ich bin ja bei dir.«
Die Gestalten kamen näher. Es waren die magere, streng dreinblickende »Setsu« und die pummelige, dümmliche »Chocho«. Zwischen ihnen erblickte Yoritomo eine jüngere Frau, die Mitte zwanzig sein mochte. Sie war ungewöhnlich groß und überragte die beiden älteren Damen. Setsu und Chocho trugen dunkle, schlichte, aber kostbare Seidengewänder, während ihre Begleiterin in einen grünen, mit einem Muster aus Gräsern und Blättern bedruckten Umhang gekleidet war, wie es sich für eine junge Dame aus einer Samurai-Familie geziemte. In Yanagisawas Augen war sie ausgesprochen unscheinbar, linkisch und knochig, und sie bewegte sich unbeholfen wegen ihrer Körpergröße. Und auch die üppig aufgetragene Schminke konnte weder ihre übergroße Nase noch ihre hängenden Augenlider vertuschen. Das einzig Schöne an ihr waren die dichten schwarzen Haare, die zu einem dicken Knoten gebunden waren.
»Ich grüße euch«, sagte Yanagisawa, als er und Yoritomo den Frauen gegenüberstanden.
»Nein, so was! Der Kammerherr!«, rief Chocho. Nachdem sie sich höflich voreinander verbeugt hatten, richtete Chocho den Blick auf Yanagisawa und kicherte. »So ein Zufall, dass wir Euch hier treffen!«
»Ein sehr glücklicher Zufall«, entgegnete Yanagisawa.
Alle mussten so tun, als wären sie sich zufällig begegnet. So war es Brauch bei einem miai, dem ersten Treffen der zukünftigen Braut mit dem auserkorenen Bräutigam und den Verwandten. Hatte eine der Parteien später Vorbehalte, konnten beide Seiten so tun, als hätte der miai nie stattgefunden, ohne dass sie das Gesicht verloren.
Yanagisawa war fest entschlossen, dafür zu sorgen, dass dieser miai in eine Ehe mündete.
»Was für ein schönes Plätzchen, um an einem Tag wie heute spazieren zu gehen«, spöttelte Setsu und hob den durchnässten Saum ihres Gewandes vom Boden hoch. »Nun ja, ich nehme an, diese Unannehmlichkeiten waren nicht zu vermeiden.«
In der Tat hatten sie sich für ihr Treffen einen Ort aussuchen müssen, an dem sie von möglichst wenig Leuten beobachtet werden konnten und an dem die Wahrscheinlichkeit, auf Bekannte zu treffen, gering war.
»Wollt Ihr mich denn nicht Eurer Begleiterin vorstellen?«, fragte Yanagisawa, an Setsu gewandt.
Setsu sah Yoritomo an, wobei die rechte, verzerrte Seite ihres Gesichts wie unter Schmerzen zuckte. Das Auge auf der linken, normalen Gesichtsseite musterte Yoritomo eingehend. Schließlich sagte sie: »Darf ich Euch die ehrenwerte Tsuruhime vorstellen?«
Die junge Frau trat vor, mit plumpen, zögernden Bewegungen. Den Blick gesenkt, murmelte sie: »Es ist mir eine Ehre, Eure Bekanntschaft zu machen.«
»Und das muss Euer Herr Sohn sein!«, meldete Chocho sich zu Wort und bewegte sich mit Trippelschritten auf Yoritomo zu, verschlang ihn mit den Augen und stieß hervor: »Also wirklich, ganz der Vater! Wie hübsch er ist!«
Yoritomo, sichtlich eingeschüchtert, zog den Kopf zwischen die Schultern. Chocho rief: »Seht nur, er wird rot! Nein, wie süß!« Sie zwickte ihn in die Wange. »Was für eine schöne weiche Haut er hat! Wie ein Kinderpopo! Wenn ich doch nur jünger wäre! Ich würde ihn vernaschen!«
Yoritomo warf seinem Vater einen flehenden Blick zu, doch Yanagisawa warnte ihn mit einem kaum merklichen Kopfschütteln davor, Chocho zurückzuweisen oder irgendetwas zu tun, was die alte Dame als Beleidigung auffassen könnte.
»Ja, das ist mein Sohn Yoritomo«, sagte er.
Auf Setsus Gesicht spiegelte sich Erschrecken, während sie den Blick vom Sohn zum Vater schweifen ließ. »Yoritomo?«, wiederholte sie.
»Darf ich Euch meine Tochter vorstellen?« Chocho stieß Tsuruhime so kräftig nach vorn, dass sie Yoritomo beinahe in die Arme geflogen wäre.
Die jungen Leute verbeugten sich voreinander. Auf Tsuruhimes Gesicht lag ein trauriger, resignierter Ausdruck. Yoritomo betrachtete sie mit dem Blick eines Mannes, dem eine Schlange über den Weg gekrochen kommt, von der er weiß, dass sie ihn beißen wird, und der sich fragt, ob die Schlange giftig
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