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Der Wolkenpavillon

Der Wolkenpavillon

Titel: Der Wolkenpavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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gestorben, bevor er dieses Ziel erreicht hatte. Er hinterließ seine Frau und einen Sohn, der Hideyoshis Rang und seine Truppen hätte erben müssen und damit die Chance, der neue Shōgun zu werden. Doch Hideyoshis einstiger Verbündeter, Tokugawa Ieyasu, wollte die Witwe und den Erben vernichten, um sich selbst den Weg an die Spitze der Macht zu ebnen. Also hatte er das Schloss Hideyoshis in Osaka belagert. In aussichtsloser Lage begingen Hideyoshis Witwe und ihrer beider Sohn Selbstmord, während das Schloss in Flammen aufging.
    »Ich kenne die Geschichte.« Setsus Stimme war weicher geworden, und Yanagisawa wusste, dass er richtig getroffen hatte.
    »Aber ich nicht!«, klagte Chocho. »Wie geht sie?«
    »Ich erzähle es Euch später!«, sagte Setsu ungehalten und wandte sich wieder Yanagisawa zu. »Ich nehme an, Ihr erwartet, dass die Ehe auch tatsächlich vollzogen wird?«
    »Natürlich«, antwortete Yanagisawa, obwohl er nicht wusste, ob Yoritomo überhaupt dazu imstande war. »Schließlich ist das der einzige Weg, einen Erben zu bekommen, die beste Garantie für unser beider Zukunft.«
    »Es wird bestimmt ein hübsches Kind!«, seufzte Chocho.
    Setsu schüttelte den Kopf. »Eure Kühnheit kann einem wirklich Angst machen.«
    »Lieber kühn als tot«, sagte Yanagisawa.
    »Wann ist denn nun die Hochzeit?«, fragte Chocho aufgeregt.
    »Immer mit der Ruhe!«, blaffte Setsu sie an. »Die Sache ist noch nicht entschieden.«
    »Über die Mitgift können wir verhandeln, doch über die Hochzeit als solche müssen wir uns einig sein«, erklärte Yanagisawa. »Yoritomo heiratet Tsuruhime. Entweder Ihr willigt ein, oder Ihr lasst es bleiben.«
    »Redet nicht mit mir, als wäre ich eine Dienstmagd!«, spie Setsu hervor und starrte ihn an. »Ich muss erst darüber nachdenken.«
    »Aber wir müssen Tsuruhimes Hochzeitskleid bestellen!«, rief Chocho.
    »Ich erwarte Eure Antwort morgen«, sagte Yanagisawa.
    *

    Aus seinem Versteck in der Krone eines Kirschbaums beobachtete Masahiro, wie Yanagisawa und die drei Frauen sich trennten und in verschiedenen Richtungen davongingen. Die Frauen stiegen in Sänften. Yanagisawa und Yoritomo gingen direkt unter dem Baum vorbei, in dem Masahiro sich versteckte. Er hätte ihnen auf den Kopf spucken können! Bei diesem Gedanken hätte Masahiro beinahe laut gelacht.
    Die Männer hatten offenbar nicht bemerkt, dass er ihnen vom Palast aus bis hierher gefolgt und auf den Baum geklettert war. Und falls sie ihn doch gesehen hatten, hatten sie ihn wahrscheinlich für einen spielenden Jungen aus der Gegend gehalten. Unterwegs hatte Masahiro seine Botenflagge und den Ledersack in den Satteltaschen verstaut und sich ein blaues Tuch aus Baumwolle um den Kopf gewunden, sodass er aussah wie ein Bauernjunge. Nun beobachtete er, wie Yanagisawa und Yoritomo auf ihre Pferde stiegen, und machte sich bereit, die Verfolgung fortzusetzen. Er konnte es kaum erwarten, Vater und Mutter zu erzählen, was er beobachtet hatte. Zwar hatte er das Gespräch nicht belauschen können, aber es war trotzdem gute Detektivarbeit gewesen, Yanagisawa, dessen Sohn und die drei Damen unbemerkt zu beobachten.
    Masahiro kletterte von dem Baum herunter und sprang vom untersten Ast auf den Boden. Doch als er zu dem Pavillon rennen wollte, an dem er sein Pony festgebunden hatte, schnellte plötzlich eine Hand vor und packte ihn am Arm. Masahiro schrie entsetzt auf.
    Die Hand gehörte einem Samurai, der hinter einem anderen Baum hervorgetreten war. Sein Gesicht, sein zerbeulter Strohhut, sein abgetragener Baumwollkimono und seine Überhose starrten vor Schmutz. Die freie Hand des Mannes lag auf dem Griff seines Langschwerts.
    Masahiro erstarrte und war wie gelähmt vor Schreck. Der Fremde war bestimmt ein rōnin, ein umherstreunender, gesetzloser Samurai, der ihn ausrauben oder töten wollte oder beides.
    »Nicht so schnell, Masahiro -san «, sagte der rōnin.
    Fassungslosigkeit verdrängte Masahiros Furcht. »Woher ... woher kennt Ihr meinen Namen?«, fragte er den Fremden.
    »Ich habe dich im Haus deines Vaters gesehen«, erwiderte der rōnin mit ausdrucksloser Stimme, die so gar nicht zu seinem furchteinflößenden Äußeren passte.
    »Ihr seid ein Freund meines Vaters?«, fragte Masahiro mit einem Anflug von Erleichterung.
    Unter der Schmutzschicht erschienen Fältchen in den Augenwinkeln des rōnin, als sich ein Grinsen auf sein Gesicht stahl. »So könnte man sagen.«
    Dennoch blieb Masahiro wachsam und voller Argwohn. Er

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