Der Wolkenpavillon
Jinshichis Augen funkelten Trotz und Entschlossenheit. »Aber ich sag euch gleich, ich sag euch alles, was ihr hören wollt, aber es ist nicht wahr.«
»Vielleicht sagt Ihr tatsächlich die Wahrheit«, meldete Sano sich zu Wort. »Vielleicht seid Ihr wirklich nicht der Schuldige.« Marume und Fukida blickten ihn verwundert an, erstaunt über seinen plötzlichen Sinneswandel. Doch Sano wollte eine andere Taktik einschlagen.
»Das sag ich doch schon die ganze Zeit!«, rief Jinshichi, teils erleichtert, teils misstrauisch und auf eine List gefasst.
»Vielleicht war Euer Freund der Täter«, sagte Sano. »Wie heißt er?«
»Gombei.« Jinshichi grinste spöttisch. »Aber der war es auch nicht.«
»Irgendjemand muss es gewesen sein«, sagt Sano. »Und irgendjemand wird dafür bestraft. Entweder Ihr oder Euer Freund. Also, wer von euch war es?«
»Ich nicht und Gombei auch nicht!«, beharrte Jinshichi. »Ihr habt die Falschen!«
»Euer Freund wird gerade verhört«, sagte Sano. »Mein oberster Gefolgsmann stellt ihm die gleichen Fragen, wie ich sie Euch gestellt habe. Was wird er wohl darauf antworten? Was meint Ihr?«
Jinshichi zuckte mit den Schultern. »Dass wir beide unschuldig sind.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher. Wenn Gombei Euch die Schuld in die Schuhe schiebt, ist er ein freier Mann.«
»Das tut er nicht!«, stieß Jinshichi hervor.
»Oh doch. Wenn es bedeutet, dass er leben darf, während Ihr sterben müsst ...«
»Ihr versucht doch nur, uns gegeneinander auszuspielen!«, spie Jinshichi hervor. »Aber das funktioniert nicht.«
»Ich will Euch nur helfen, dass Ihr auf die Stimme der Vernunft hört«, erwiderte Sano. »Jeden Augenblick wird mein oberster Gefolgsmann hier hereinkommen und uns mitteilen, dass Euer Freund gegen Euch ausgesagt hat. Dann ist es zu spät für Euch, auf den Handel einzugehen, den ich Euch anbiete.«
Argwohn legte sich auf Jinshichis derbes Gesicht. »Was für einen Handel?«
»Nun, wenn Euer Freund die Frauen entführt und vergewaltigt hat, erzählt Ihr mir darüber, was Ihr wisst, und ich lasse Euch gehen.«
Sano hoffte, dass dieser Vorschlag Jinshichi dazu bringen würde, Einzelheiten über die Verbrechen preiszugeben. Dies wiederum würde Sano helfen, sich darüber klar zu werden, welcher der beiden Männer, falls es denn einer der beiden war, die Verbrechen begangen hatte. Doch Jinshichi straffte bloß die breiten Schultern und kniff die Lippen zusammen.
»Nichts zu machen«, sagte er. »Gombei hat es nicht getan und ich auch nicht. Das ist die Wahrheit, egal, was Ihr mit uns anstellt.«
*
»Wie meint Ihr das? Was ist mit meinem Freund?«, wollte Gombei von Hirata wissen.
»Vielleicht steht er ja auf kleine Mädchen, stillende Mütter und alte Nonnen«, erwiderte Hirata.
Gombei kicherte. »Also wirklich, das ist ja lächerlich!«
»Was macht dich da so sicher?«
»Ich kenne Jinshichi, solange ich denken kann. Wir kommen aus demselben Viertel. Er ist nicht verrückt oder abartig.«
»Manche Leute verbergen ihre Geheimnisse sogar vor ihren besten Freunden«, sagte Hirata. »Woher willst du wissen, was Jinshichi treibt, wenn er allein ist?«
»Ich weiß, dass er das Mädchen und die Nonne nicht entführt hat. Wir waren zusammen an den Tagen, als sie entführt wurden.« Gombeis Grinsen wurde breiter. Seine Zahnlücken sahen aus wie schwarze Löcher.
Hirata hatte damit gerechnet, dass Gombei sich Ausreden für Jinshichi und sich selbst einfallen lassen würde. »Und welche Tage waren das?«, fragte er. Er hatte es mit keinem Wort erwähnt. Falls Gombei es wusste, war der Beweis erbracht, dass er der Schuldige war.
»Alle Tage. Jinshichi und ich arbeiten zusammen«, sagte Gombei.
»Wirklich? Ich werde euren Aufseher fragen, wohin er euch beide in letzter Zeit geschickt hat.«
»Fragt ihn ruhig.« Gombei grinste mit beinahe unverschämter Lässigkeit.
»Aber warum sollte ich mir solche Umstände machen?«, sagte Hirata. »Ich kann ebenso gut Jinshichi fragen. Er ist nur ein paar Schritte weiter.«
»Nur zu. Fragt ihn. Er wird Euch genau dasselbe sagen wie ich - dass wir zusammen waren.«
»Vielleicht habt ihr ja auch die Frauen zusammen entführt? Dann wäre es einfacher gewesen, sie zu packen und auf den Ochsenkarren zu laden, nicht wahr?« Dagegen sprach allerdings die Aussage von Sanos Cousine, die erklärt hatte, sie sei von nur einem einzigen Mann entführt und missbraucht worden. »Oder habt ihr euch abgewechselt? Hat dein Kumpan das Mädchen
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