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Der Wüstendoktor

Der Wüstendoktor

Titel: Der Wüstendoktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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vormittag um elf kommen Sie bitte in mein Büro, einer meiner Beamten wird Sie abholen. Vielleicht ist bis dahin auch der Obduktionsbefund da. Er könnte Ihre einzige Entlastung sein, Doktor.«
    »Ich weiß es, Herr Kommissar.«
    Vandura brachte die Beamten bis vor die Tür. Als er abschloß, sah er, wie ein Wagen zurückblieb und sich in die Einfahrt stellte. Sein eigenes Haus war zum Gefängnis geworden.
    Um neun Uhr abends rief Katja aus München an. Sie hatte eine Tante besucht, war ungeahnt in deren Geburtstagsfeier geplatzt und blieb nun über Nacht in der Stadt.
    »Böse, mein Liebling?« fragte sie.
    »Aber nein, nein.« Dr. Vandura schloß die Augen. Ihre Stimme – zum letztenmal ihre Stimme … Vergiß mich, Katja –
    Bis zehn Uhr hatte er alles geordnet. Die Daueraufträge vom Bankkonto, einen Brief an Katja und einen an die Staatsanwaltschaft. Der Vorhang konnte zugezogen werden.
    Gegen elf Uhr abends stieg Vandura aus dem Fenster des Schlafzimmers, lief im Schatten der hohen Büsche durch den Garten und überkletterte die Grenzmauer zu dem Grundstück des Finanzmaklers Dehnenhardt. Quer durch sechs Gärten lief er und erreichte die hintere Straße über einen Holzzaun.
    Mit einer Aktentasche in der Hand ging er langsam, wie ein zufriedener nächtlicher Spaziergänger, zur Endhaltestelle der Straßenbahn nach München.
    Dr. Vandura verschwand spurlos.
    Als man am nächsten Morgen durch Funksprüche alle deutschen Grenzstationen und Flughäfen alarmierte, hatte er einen Vorsprung von zwölf Stunden. Da war es schon zu spät, viel zu spät. In der Interpolzentrale wurde ein neues Karteiblatt angelegt.
    Dr. Ralf Vandura, gesucht wegen Mordes.
    Jagt ihn!
    »Irgendwo taucht er wieder auf«, sagte Brandtner und hieb mit der flachen Hand auf den Tisch. »Die Welt hat nicht mehr viele dunkle Ecken. Ich kann nur nicht begreifen, daß ich mich so in ihm täuschte. Verdammt noch mal, so sieht kein Mörder aus.«
    Vanduras Haus wurde verschlossen und versiegelt. Er hatte wirklich nicht mehr mitgenommen als seine schwarze Aktentasche.

4
    Das ›Saint Georges‹ ist ein Hotel-Palast, in dem man auf die modernste Art sein Märchen aus 1001 Nacht träumen kann. Orientalischer Prunk vereinigt sich hier mit bis ins kleinste Detail durchdachter amerikanischer Zweckmäßigkeit. Klimaanlagen, Bars, Spezialitätenrestaurants, große, kühle Hallen, Terrassen zum ewig tintenblauen Meer, eine eigene Badehalbinsel mit Sprungturm in die See, ein eigener Bootshafen, Sportplätze und die einzigartige halbrunde Sonnenterrasse über einem Säulenpavillon – hier war eine Vermählung von Schönheit und Luxus vollzogen, die das Auge trunken machte.
    Von den Balkonen im sechsten Stock sah man über die Stadt.
    Beirut, dieses weiße Wunder am Meer. Eine Halbinsel, an der schon 1.500 Jahre vor Christi die Handelsschiffe landeten, auf der die römischen Legionen Agrippas ihre Lager aufschlugen, wo sich die Veteranen der 5. mazedonischen und 3. gallischen Legion ansiedelten und die entstehende Stadt nach der Tochter ihres Kaisers Colonia Julia Augusta Berytes tauften, wo die Phönizier ihren Seidenhandel und die Seidenweberei zentralisierten, bis 551 ein Erdbeben und eine Sturmflut die Stadt unter sich begruben und 250.000 in den Trümmern verfaulten, Beirut, die Märchenstadt am Meer, wo sich die Kreuzritter auf ihrem Zug ins Heilige Land ausruhten, ein lateinischer Bischof residierte, das von dem Kalifen Saladin erobert wurde, wo Sultane und Emire ihre Liebespaläste bauten, wo einer der schönsten Tempel des Vorderen Orients, die Jami-el-Kebir-Moschee, entstand, wo heute noch im alten römischen Teil, über dem jetzt die Kasbah gebaut ist. Grabhöhlen mit Mosaiken und Steinsarkophagen entdeckt werden, Beirut, dieses Tor zum Orient. An der Küste Luxusherberge in wolkenkratzerähnlichen Hotelräumen, in der Altstadt Zeuge der Jahrtausende, an den Randgebieten Wüstenstadt mit Karawansereien und Kamelkarawanen, schwarzen Beduinenzelten und dem Geruch von Hammelfleisch und Mehlfladen, Kuskus und gesäuerter Kamelmilch. Beirut, ein Schmelztiegel aller arabischen Völker, voll von Tanzbars und Spielsälen, Kabaretts mit Striptease und geheimnisvollem orientalischem Liebeszauber, die Stadt mit den meisten Dirnen rund ums Mittelmeer und den milliardenschweren Banken, Konkurrenz der Schweiz. Die Stadt der sich erholenden Ölscheichs, der Weltenbummler, der reichen Nichtstuer, der Geschäftemacher, der internationalen Gangster, der

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