Der Wüstendoktor
seinen Verkäuferposten aufgegeben hatte – der Glückstreffer, Königin Elizabeth von England beim Baden zu fotografieren. Das Bild rotierte um die Welt, brachte den Namen Zobel ins Gespräch, und der ›Globus‹ engagierte ihn als Reporter. Von da an gab es den neuen Zobel, die Kodderschnauze, den Mann, den nichts erschüttern konnte, wenn es um eine Reportage ging.
»Wir fliegen gleich weiter nach Amman, und dann hinein in die Suppe!« sagte er. »Ich habe im Flugzeug die letzten Meldungen gehört: König Hussein ruft nach Journalisten, um der Welt seine Zwangslage zu zeigen, und Dr. Karabasch schreit nach Bildchen, um der Welt seine Berechtigung zu beweisen. Suchen wir uns den interessanteren Teil aus – wir fliegen zu den Rebellen.«
Zunächst aber kamen sie nur bis Amman. Auf dem staubigen Flugplatz verfrachtete man sie in einen Bus und fuhr sie auf den Dschebel Amman ins Hotel Intercontinental. Hier traf Zobel auf eine Ansammlung bekannter Kollegen aus aller Welt. Sie saßen in der riesigen Halle herum, tranken Fruchtsäfte, Gin oder Whisky, belegten mit ihren Kameras alle Sessel und Tische und warteten auf die große Stunde, den Traum aller Reporter.
Die Lage war mehr als verworren. Ins Hotel hinein durfte jeder – aber hinaus niemand. Wer sich am Fenster zeigte, ließ sich sofort wieder auf den Boden fallen, denn die auf den Straßen patrouillierenden Truppen hoben sofort die Schnellfeuergewehre. Aus Matratzen und Schränken bauten sich die Hotelbewohner Schutzwälle vor den Fenstern und Balkonen – im übrigen saßen sie um die Transistorempfänger und hörten die Nachrichten aus aller Welt ab.
Bernd Zobel war zu der Konzession bereit, daß Katja eine Nacht in Ruhe schlafen durfte. Das Hotelzimmer, das man ihnen anwies, ein Zweibettzimmer, lag zum Hof hinaus und war deshalb weniger gefährlich als die zur Straße liegenden. Über die beiden Betten ging Zobel elegant hinweg.
»Ich schlafe unten in der Halle«, sagte er zu Katja Hellersen. »Aber schließen Sie trotzdem ab, Katja. Hier im Haus leben siebzig Prozent Männer, und das ist immer eine schlechte Sache. Irgendeiner ist immer drunter, der … Ich wecke Sie morgen mit dreimal bum-bum-bum und einmal bim!«
In der Nacht schlief Katja kaum. Sie wanderte in dem großen Zimmer herum und dachte an Vandura. Dieser Hakim-Pascha ist er nicht, sagte sie sich immer wieder. Es war undenkbar. Von Beirut nach München wäre es leicht gewesen, eine Nachricht zu geben, und Vandura hätte das getan.
Dann überfielen sie wieder Zweifel. Und die größte aller Fragen quälte sie: Wenn er wirklich Hakim-Pascha war, warum hatte er dann geschwiegen? Wollte er die Vergangenheit vergessen? Die Vergangenheit, die auch Katja Hellersen hieß? War diese Liebe, die einen Himmel einriß, verschüttet mit der Last, am Tode Bruno Hellersens schuld zu sein?
Erst gegen Morgen schlief Katja ein, quer über dem Bett liegend, erschöpft von den Gedanken, denen sie nicht entrinnen konnte. Sie schrak mit einem Schrei hoch, als Zobel an die Tür klopfte.
»Halli hallo!« rief er durch die Tür. »Aufstehen und Vandura suchen! Ich habe uns einen Superkaffee organisiert, der uns fit wie Cassius Clay macht! Und einen Weg, aus dem Hotel zu kommen, habe ich auch entdeckt. Also schnell, schnell, meine Liebe. Und üben Sie sich fünf Minuten in Kriechen und im Ertragen von Gestank.«
Eine Stunde später brachen Zobel und Katja aus dem Hotel Intercontinental aus. Ein Reporter der ›Times‹ hatte ihnen den Weg verraten – er führte durch den Kellerausgang über einen Hof, wo sich seit Tagen die Küchenabfälle stapelten, zu einem Pförtchen in der Mauer, die einen kleinen Garten abtrennte. Dieser Garten wiederum mündete in den großen Garten, in dem der Swimming-pool lag, aber seitlich davon verlief eine andere Mauer, die den Hotelkomplex vor nicht zahlenden Blicken schützte. Jenseits dieser Abgrenzung verlief eine stille Gasse, auf der nur zwei jordanische Soldaten Wache standen. Um zehn Uhr morgens bekamen sie eine Art Sonderfrühstück – sie hockten sich dann in den Schatten und beschäftigten sich mit sich selbst. Das war die günstige Zeitspanne, in der man, durch hohe Büsche versteckt, über die Mauer klettern und das Hotel verlassen konnte.
Es klappte alles wie im Theater. Die Soldaten zogen sich in den Schatten zurück, Zobel kletterte auf die Mauer, zerrte Katja nach, einige Sekunden lagen sie flach auf der Mauerkrone, ließen sich dann auf die Gasse gleiten und
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