Der Wüstenpalast
ich ein paar großartige Erinnerungen mit nach Hause nehme! Im Augenblick ist Razul mein Mann, dachte Bethany rachsüchtig, und Fatima wird sich immer nur als zweite Wahl vorkommen!
“Ich habe viel nachgedacht, seit ich hier liege”, erklärte Bethany.
“Du hörst nie auf zu denken”, erwiderte Razul grimmig, als sei dies das schlimmste Vergehen, dessen eine Frau sich schuldig machen konnte.
“Meine Forschung bedeutet mir wirklich viel, aber es ist doch sehr unpraktisch, dass ich kein Arabisch spreche”, meinte sie seufzend. “Deshalb hatte ich ursprünglich meinen Assistenten. Ich weiß zwar, dass du bestimmt sehr beschäftigt bist, aber ich dachte, vielleicht könnten wir ja zusammen einen Ausflug unternehmen …”
“Einen Ausflug?” Unvermittelt drehte Razul sich vom Fenster her zu ihr um.
“In die Wüste. Damit ich ein Gefühl für das Nomadenleben entwickeln kann. Und selbstverständlich sollte es eine authentische Erfahrung sein …”
“Wie bitte?” Er wirkte höchst verblüfft.
“Nun ja, eben ganz einfach und zurück zur Natur … Nur du und ich allein gegen die Naturgewalten, ohne Legionen von Wachen und Dienern. Die würden dabei sowieso nur hinderlich sein, nicht wahr?”
“Aber du wärst dann allein mit mir”, sagte Razul trocken, während er Bethany unter seinen langen schwarzen Wimpern hervor mit großer Eindringlichkeit ansah. “Ich hätte nicht gedacht, dass du dich solch unerwünschter Intimität würdest aussetzen wollen.”
Bethany holte tief Luft, ihre Wangen glühten, und sie hielt den Blick geflissentlich auf Razuls Fußspitzen gesenkt. “Habe ich etwa gesagt, dass sie unerwünscht wäre? Es ist ja nicht so, dass ich dich hasse oder so was.”
In dem folgenden Schweigen hätte man eine Stecknadel fallen hören können.
“Du würdest mir also zutrauen, dich nicht anzufassen? Ich bin nicht sicher, ob ich imstande wäre, der Versuchung, mit dir allein zu sein, zu widerstehen.” Das klang, als bereite ihm dieses Eingeständnis geradezu körperlichen Schmerz.
“Ich habe gehofft, dass du es nicht tust …” Bethany befeuchtete sich mit der Zunge die ausgetrockneten Lippen, und sie hatte den Eindruck, dass ihre Wangen noch heißer geworden waren.
“Du hast gehofft, ich würde der Versuchung
nicht
widerstehen?”, vergewisserte Razul sich ungläubig.
Sie nickte stumm.
Da versetzte Razul ihr den Schrecken ihres Lebens. Irgendetwas Unterdrücktes auf Arabisch ausstoßend, packte er Bethany und holte sie mitsamt Tropf und allem aus dem Bett, gerade als jemand hereinkam.
“Was, in aller Welt, tust du da?”, fragte Laila verdutzt.
“Ich nehme meine Frau mit nach Hause”, erklärte Razul trotzig, für einen Streit gewappnet. “Außerdem werde ich auch noch eine Krankenschwester mitnehmen.”
Laila kostete es sichtlich Mühe, ernst zu bleiben. “Flitterwöchner”, meinte sie kopfschüttelnd. “Im Vergleich zu euch spüre ich jedes einzelne meiner Lebensjahre in den Knochen.”
Nachdem seine Schwester gegangen war, um alles Notwendige zu veranlassen, ließ Razul seine goldbraunen Augen auf Bethany ruhen. “Ich werde dies zum glücklichsten Sommer deines Lebens machen”, schwor er mit leidenschaftlicher Stimme.
Ein spitzer Schmerz durchzuckte Bethany. Das Ende des Sommers hing wie eine düstere Drohung über ihr. Weshalb musste Razul das immer wieder erwähnen? Damit rieb er nur Salz in die offene Wunde. Doch andererseits hatte es ja auch keinen Zweck, die Realität einfach auszublenden.
Es war später Nachmittag, und Razul kam geschmeidig und anmutig in seiner Wüstentracht über das Gras auf Bethany zu, die im Schatten eines Baumes lag und las. Die schmale Falte zwischen seinen aristokratischen Augenbrauen zeigte jedoch, dass er irgendwelchen Unmut hegte.
“Normalerweise legst du dich um diese Zeit zu einem Schläfchen hin”, sagte er zu ihr.
“Ich fühle mich fit wie’n Turnschuh.”
“Aber du siehst immer noch blass aus … und angestrengt.”
Bethany senkte den Kopf, und all der Groll, der sich im Laufe der vergangenen Woche in ihr angesammelt hatte, stieg in ihr auf. Obgleich sie sich Razul förmlich an den Hals geworfen hatte, hatte er sich nach dem kurzen Augenblick des Frohlockens im Krankenhaus hinter einer kühlen, distanzierten Haltung verschanzt. Er legte Bethany gegenüber äußerste Höflichkeit an den Tag und war außerordentlich aufmerksam. Er brachte ihr Blumen und Bücher, besuchte sie mehrmals am Tag, aber genauso gut hätte er
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