Der wunderbare Massenselbstmord
diesem Zeitpunkt der junge Mann aus Kotka gewesen, der beim Seminar die Verwendung von Heißluftballons auf der letzten Reise vorgeschlagen hatte.
In den Nachtstunden hatten die Selbstmörder die gleiche unnachgiebige Entschlossenheit gezeigt wie die finnischen Ultralinken in den Sechzigerjahren, als diese sich zur Aufgabe gemacht hatten, die stalinistische Weltrevolution voranzutreiben. Allerdings hatten die Selbstmörder keine Arbeiterlieder gesungen, und sie hatten auch keine eigene Fahne gehabt. Doch es war genauso eine zum Untergang verurteilte Aktion gewesen.
Womöglich hätten sie den Plan von der Besetzung des Neste -Turms tatsächlich wahr gemacht, wenn sich nicht unterwegs in Kuusisaari eine günstigere Gelegenheit geboten hätte. Sie hatten entdeckt, dass auf einem Villengrundstück in der Kuusisaarentie 33 die Tür der zur Straße gelegenen Garage nur angelehnt war. Sie hatten hineingespäht, die Garage war sehr geräumig gewesen. Ein weißes Jaguar-Kabriolett hatte darin ge standen. Das hatten sie als Fügung angesehen: Sie konnten sich mühelos in dieser Garage umbringen, wenn sie nur den Wagen starteten: Die Abgase des starken Motors würden ausreichen, alle im Raum be findlichen Menschen zu töten.
Der Entschluss war umgehend gefasst. Die ganze Gruppe mit zwanzig Personen war in die Garage einge drungen. Sie hatten die Doppeltür geschlossen, die Lüftungsklappe verstopft. Die jüngeren Männer, allen voran der Wirrkopf aus Kotka, hatten an der Elektrik des Luxuswagens gefummelt, um den Motor zu starten, was gar nicht nötig gewesen wäre, denn der Zünd schlüssel hatte gesteckt. Der Jaguar war gleich beim ersten Versuch angesprungen. Das Geräusch des Mo tors war leise gewesen, hatte sich teuer angehört.
Der Bursche aus Kotka hatte noch vorgeschlagen, mit dem Luxuswagen vor dem Tod eine Ehrenrunde durch die Stadt zu drehen. Sie hatten jedoch darauf verzichtet, denn die Abschiedsfahrt hätte Aufsehen erregen kön nen, außerdem hätten sowieso nicht alle Interessenten in den kleinen Wagen hineingepasst. Und vor allem die älteren Leute und die Frauen hatten Einwände gegen einen Autodiebstahl als letzte Tat auf Erden gehabt.
Der Kotkaer hatte sich ans Steuer gesetzt und eine Kassette eingelegt. Es war arabische Musik gewesen, hatte sich angehört, als sei vom harten Leben in der Wüste die Rede gewesen. Eine melancholische Frauen stimme hatte eine eintönige Melodie gesungen. Es hatte irgendwie gut in die Situation gepasst.
Die Abgase waren in die Garage geströmt. Die Selbst mörder hatten das Licht gelöscht. In das Surren des Automotors und die Klage der arabischen Frau hatten sich leise finnische Gebete gemischt.
Niemand konnte sich mehr genau erinnern, wie lange sie in der Garage Abgase geschluckt hatten, als plötzlich die große Doppeltür von außen aufgerissen worden war und ein Wächter im Overall mit einem Wolfshund hereingestürmt kam. Der Hund hatte angefangen zu niesen und war dann geflüchtet. Der Wachmann hatte Licht gemacht und unflätig geflucht.
Auf dem Fußboden der Garage hatten zu diesem Zeit punkt schon mehrere bewusstlose Menschen gelegen. Jene, die es noch bis zur Schwelle schafften, hatten die Beine in die Hand genommen, waren in die Wälder von Kuusisaari geflüchtet und hatten sich anschließend in alle Himmelsrichtungen zerstreut. Bald waren Ambu lanz- und Polizeiautos angeflitzt gekommen. Mehrere Bewusstlose waren wiederbelebt und in Krankenhäuser gebracht worden. Die meisten hatten von dort jedoch flüchten können. Allein oder in kleinen Gruppen waren sie über Tapiola und Munkkiniemi in die Stadt zurück gewandert. Damit war der Rest der Nacht vergangen, und jetzt waren sie hier, wie im Seminar vereinbart.
Helena Puusaari, Onni Rellonen und Oberst Kemp painen hörten sich entsetzt die wilde Geschichte an. Der Oberst brach aus:
»Oh, ihr Unglücklichen! Ihr seid total verrückt!« Er tadelte die Selbstmörder in harten Worten für ihre
übertriebene Eigenmächtigkeit. Dann fragte er, wem die Garage gehörte, in die die Selbstmörder eingedrungen waren.
Ein junger Mann, Feldwebel d. R. Jarmo Korvanen aus Vaasa, berichtete, dass er im Zuge der Ermittlungen in Polizeigewahrsam gekommen und später verhört worden war. Dabei hatte sich herausgestellt, dass die Garage zur Privatresidenz des Botschafters von Südje men gehörte. Korvanen war erst vor einer Stunde aus dem Polizeigewahrsam entlassen worden unter der Auflage, am folgenden
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