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Der wunderbare Massenselbstmord

Titel: Der wunderbare Massenselbstmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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aller Ruhe und auch mit klarem Kopf über das gemeinsame Schicksal beraten.
    Auf Geheiß des Oberst wurde die Veranstaltung been­ det. Alle verließen das Restaurant, die Türen wurden geschlossen. Das große Selbstmörderseminar, in seiner Art einzigartig in der finnischen Geschichte, war endlich zum Abschluss gekommen. Zu dem Zeitpunkt war es bereits 19.20 Uhr.
    Das müde Führungstrio begab sich ins Hotel Presi­ dentti, um die Ereignisse des Tages zu überdenken, und der Oberst und Helena Puusaari beschlossen, auch gleich an Ort und Stelle zu übernachten. Das Kollekten­ geld nahmen sie mit.
    Vor dem Schlafengehen besuchten sie den Nachtklub, um eine überbackene Kleinigkeit zu essen und ein paar Drinks zu nehmen. Helena Puusaari wurde ständig zum Tanzen aufgefordert, kein Wunder, denn in ihrem roten Kleid sah sie unter den blinkenden Nachtklublichtern wirklich hinreißend aus. Dem Oberst gefiel das nicht, er zog sich in sein Zimmer zurück.
    Direktor Rellonen trank noch ein Glas und fuhr dann mit dem Taxi nach Hause. Seine Frau schlief schon, sie ächzte im Schlaf, als Rellonen sich auf die Seite des Doppelbettes wälzte, auf die er das eheliche Recht hatte. Er betrachtete die Schlafende mitleidig. Da schnarchte sie nun, die Frau, die er einst geliebt hatte, sogar leiden­ schaftlich, und vermutlich hatte auch sie ihn anfangs gern gehabt. Jetzt war von der Liebe und von allen anderen Gefühlen nichts mehr übrig. Wenn der Konkurs zur Tür hereinkommt, fliegt die Liebe zum Fenster hin­ aus. Wenn nacheinander vier Konkurse durch die Tür kommen, ist nichts mehr da, was man zum Fenster hinauswerfen könnte, alles ist schon weg. Rellonen schnupperte an seiner Frau, um ihren Eigengeruch wahrzunehmen. Richtig. Sie roch nach einem verdros­ senen alten Weib. Diesen Geruch kriegt der Mensch nicht einmal mit Wasser und Seife herunter.
    Rellonen wickelte sich in seine Decke und wünschte sich, dass dies die letzte Nacht seines Lebens und zu­ mindest seiner Ehe in diesem Bett sein möge. Er mur­ melte: »Müde bin ich, geh zur Ruh, schließe beide Augen zu…«
    In der Nachtbar des Presidentti verriet einer der eifrig­ sten Tanzkavaliere Helena Puusaaris, dass er tagsüber im Restaurant Laulumiesten Ravintola bedient habe.
    »Ich sage Ihnen, das war ein harter Tag. Der Umsatz war um ein Vielfaches höher als bei einer Beerdigung.«
    Der Kellner sah die rothaarige attraktive Pädagogin glühend an und bekannte, dass auch ihm im Laufe des Tages die Möglichkeit eines Selbstmords in den Sinn gekommen sei. Er schwor, dass er sich schon seit Jah­ ren hin und wieder mit dem Gedanken trage, sich um­ zubringen. Ob er Chancen hätte, in die Gruppe aufge­ nommen zu werden? Er stellte sich als Seppo Sorjonen vor, behauptete, dass er gern Selbstmord begehen wür­ de, wenn er es nur zusammen mit Helena Puusaari tun könnte, sie beide ganz allein. Könnten sie sich nicht an einen ruhigen Ort zurückziehen, um über all das zu reden? Der Oberst und Direktor Rellonen waren an­ scheinend schon gegangen.
    Helena Puusaari ermahnte Sorjonen, das Selbstmord­ seminar nicht in der Öffentlichkeit zu erwähnen. Das Treffen sei vertraulich gewesen, also verbiete es sich, in Nachtklubs darüber zu reden. Außerdem sei er schon stark betrunken, wie sei das möglich? Die Veranstaltung sei doch gerade erst vorbei.
    Sorjonen bekannte, dass er im Laufe des Tages heim­ lich in der Küche aus den Gläsern der Gäste genascht hatte. Da er noch nicht dazu gekommen war zu essen, mochte man vielleicht den Eindruck gewinnen, dass er betrunken sei. Aber das stimmte nicht. Er erklärte, er sei von Natur aus offen und lebhaft, weshalb ihn Frem­
    de für trunksüchtiger hielten, als er in Wirklichkeit war. Um seine Offenheit zu beweisen, erzählte er gleich seine ganze Lebensgeschichte: Er stammte aus Nordkarelien, hatte das Abitur und war zweimal verlobt, aber noch kein einziges Mal verheiratet gewesen. Er hatte etwa ein Jahr lang an der Universität humanistische Fächer studiert, aber dann festgestellt, dass das Buch des Lebens interessanter war. Er hatte als Journalist bei »Uusi Suomi« und ein paar anderen Zeitungen gearbei­ tet, später mehrfach die Branche gewechselt, wie es sich gerade ergab, und nahm jetzt Gelegenheitsjobs an, momentan als Aushilfskellner im Laulumiesten Ravinto­ la. Der Ehrlichkeit halber gestand er Helena Puusaari, dass er nie im Leben an Selbstmord gedachte hatte. Er hatte das nur gesagt, um mit ihr ins Gespräch zu

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