Der wunderbare Massenselbstmord
Tag, Montag, um neun Uhr mor-gens zu einer genaueren Befragung zu erscheinen.
Die Miene des Oberst wurde immer finsterer. Es war schon unsinnig genug, in eine fremde Garage einzudrin gen, um Abgase zu schlucken, aber musste die Gruppe so dumm sein, sich für ihren Selbstmordversuch die Residenz eines ausländischen Botschafters auszusu chen und dadurch den eigenen Ruf und den der ganzen Nation zu schädigen? Der Oberst hielt sich den Kopf und klagte laut.
Der pensionierte Instandhaltungsingenieur Jarl Hau tala aus Turku meldete sich nun zu Wort. Er sagte, man habe ihn wegen einer Rauchgasvergiftung zur Beobach tung in die Universitätszentralklinik nach Meilahti ge bracht. Während der Frühstückszeit sei es ihm gelun gen, aus der Klinik zu entwischen. Hautala trug unter seinem Popelinemantel Krankenhausunterwäsche. Den Mantel, der ihm viel zu weit war, hatte er aus der Garde robe in der Eingangshalle stibitzt.
»Leider wurden wir im allerletzten Moment gestört, Oberst. Ich bin sicher, wenn wir die Abgase in der Gara ge auch nur zehn Minuten länger hätten einatmen können, wären wir alle glücklich tot. Sie sollten uns keine Vorwürfe machen, die Umstände waren lediglich ungünstig. Außerdem hatten nicht alle von uns Misser folg. In der Klinik von Meilahti habe ich erfahren, dass ein Mitglied unserer Gruppe, der junge Mann aus Kotka, das geschafft hat, was uns versagt geblieben ist. Seine Leiche wurde in dieselbe Klinik gebracht, in der ich war. Die Ärzte in der Notaufnahme der Poliklinik unterhielten sich über seinen Tod.«
Der Bursche war tot hinter dem Lenkrad des Sportau tos gefunden worden, mit dem Fuß auf dem Gaspedal. Auf den Gängen der Klinik waren auch Polizisten he rumgelaufen, und so hatte Hautala es für klüger gehal ten, die Klinik auf eigene Verantwortung zu verlassen, zumal er sich, verglichen mit den außergewöhnlichen Umständen, wieder relativ gut gefühlt hatte.
Während des Berichts war auch der Aushilfskellner Seppo Sorjonen am Denkmal Alexanders II. eingetroffen. Er wirkte heiter und fröhlich, kam herangeweht wie ein wohltuendes Lüftchen. Der Oberst warf ihm einen mürrischen Blick zu, aber Sorjonen ließ sich seine gute Stimmung dadurch nicht verderben.
10
Das Denkmal Alexanders II. auf Finnlands wichtigstem Platz, dem Senatsplatz, hatte im Mittelpunkt vieler historischer und spektakulärer Ereignisse gestanden. In Jahren und Jahrzehnten hatte der bronzene Kaiser auf dem Platz die Kosakenhorden während der Zeit der russischen Unterdrückung, die Siegesparade der weißen Schlächter, den Bauernmarsch der Lapua-Bewegung, die mächtigen Massendemonstrationen der Roten nach dem Krieg und die Silvesterfeiern der Stadt Helsinki in dampfenden Frostnächten erlebt. Er hatte trostlose Gefangenentransporte auf dem Weg in die Festung Suomenlinna und in späteren Zeiten das ausgelassene Treiben am Ersten Mai mitangesehen, aber nie zuvor war er von Selbstmördern umringt worden.
Alexander II. dachte, dass früher, zu seiner Zeit, die Kosaken des Zaren dafür gesorgt hatten, dass der Pöbel getötet wurde, wenn er sich beklagte oder widerspenstig war. Heutzutage übernahm er auch das ganz allein.
Rings um die nachdenkliche Skulptur standen etwa zwanzig bleiche, verkaterte Selbstmordkandidaten, von denen einer unwiederbringlich verloren war. Die Gruppe forderte von Oberst Kemppainen praktische Maßnah men zur Klärung der verzwickten Situation.
»Wir müssen sofort aus der Stadt verschwinden«, ent schied der Oberst. Er beauftragte Onni Rellonen, einen Bus zu mieten und dafür zu sorgen, dass dieser schon in einer Stunde zur Verfügung stehe. Als Rellonen sich entfernt hatte, um den Auftrag zu erledigen, führte der Oberst gemeinsam mit Helena Puusaari die unglückliche Gruppe hinunter zum Markt und dann auf die Esplana de ins Kappeli zum Frühstück.
»Esst jetzt gut, damit ihr euch ein bisschen erholt«, forderte Helena Puusaari die bleichen Leute auf.
Seppo Sorjonen hatte sich ihnen angeschlossen. Als der Oberst fragte, was ein Kellner mit zur Schau gestell ter Fröhlichkeit in seiner Selbstmordgruppe zu suchen habe, erklärte Sorjonen, er wolle nur helfen. Er sei seinerzeit ein paar Jahre mit einer Psychologin liiert gewesen und habe sich während der Zeit gründlich mit den Tiefen der menschlichen Psyche befasst. Er glaube, den unglücklichen Soldaten des Herrn Oberst Trost spenden zu können. Helena Puusaari fand, dass ein Lichtpunkt in einer
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