Der wunderbare Massenselbstmord
kom-men.
Helena Puusaari hielt ihm vor, dass er bereits eine Lüge zugab, obwohl sie sich erst wenige Minuten unter halten hatten. Sie bat ihn, an seinen eigenen Tisch zurückzukehren. Selbstmord war eine zu ernste Sache, um darüber zu spaßen.
Seppo Sorjonen gab nicht auf, sondern versprach ihr seinen ganzen psychischen Beistand, da er wusste, dass sie sich umbringen wollte, davon war ja am Tag im Seminar die Rede gewesen. Er bezeichnete sich als guten Zuhörer, sie könnte ihm ihr Herz öffnen… man könnte sich irgendwo zusammensetzen und so weiter.
Helena Puusaari sagte, wenn er potenziellen Selbst mördern helfen wollte, dann könnte er gern am Vormit tag um elf Uhr auf den Senatsplatz kommen. Dort wür den sich noch weitere trostbedürftige Menschen ver sammeln. Dann ließ sie ihn stehen und ging schlafen.
Nach dem Hotelfrühstück spazierten Helena Puusaari und Oberst Kemppainen durch die leeren Straßen des sommerlichen Helsinki. Wieder war es ein schöner Tag, das Wetter war angenehm und der Himmel wolkenlos. Der Oberst bot Helena Puusaari seinen Arm. Sie gingen am Bahnhof vorbei nach Kruunuhaka, von dort, dem Meeresufer folgend, nach Katajanokka und erst dann, kurz vor elf Uhr, begaben sie sich zum Senatsplatz. Onni Rellonen war schon da, und auch ein paar andere Bekannte vom gestrigen Seminar warteten bereits.
Bis elf Uhr hatten sich am Denkmal Alexanders II. über zwanzig Seminarteilnehmer versammelt. Es waren Frauen und Männer, junge und alte. Der Eifer vom Vortag war gewichen. Die Gesichter der Selbstmörder wirkten geschwollen, ihr Blick müde. Einige hatten schwarzgraue Gesichter, so als hätten sie die Nacht beim Teerbrennen oder bei einer Zivilschutzübung zuge bracht. Still umringten sie ihr Führungstrio. Die Stim mung war gedrückt.
»Nun, wie geht’s, ist dies nicht ein herrlicher Sonn tagmorgen?«, der Oberst versuchte fröhlich, ein Ge spräch in Gang zu bringen.
»Wir haben letzte Nacht so gut wie gar nicht geschla fen«, erzählte ein fünfzigjähriger Mann, der sich auf dem gestrigen Seminar als Malermeister Hannes Jokinen aus Pori vorgestellt hatte. Seine persönliche Bürde waren ein Kind mit einem Wasserkopf und eine verrückte Ehefrau, außerdem sein eigener, von Lösungsmitteln zerfressener Schädel. Ein mitleiderregender Fall, genau wie alle anderen.
Die verkaterten Leute begannen jetzt hektisch zu er zählen, was in der vorigen Nacht alles passiert war. Nachdem im Restaurant der Ausschank eingestellt worden war und man alle Seminarteilnehmer hinausge bracht hatte, war der harte Kern in Richtung Hietaniemi durch die Straßen gewandert. Sie hatten beschlossen, sofort Selbstmord zu begehen und nur noch über die Methode nachgedacht, wie sie es in der Gruppe tun konnten. Sie waren auf den Friedhof von Hietaniemi gewankt, aber dort waren sie auf ein halbes Dutzend glatzköpfiger Burschen gestoßen, die laut brüllend zwischen den Gräbern herumgetobt waren und versucht hatten, die Grabsteine umzustoßen. Dieses lästerliche Benehmen hatten sie nicht mit ansehen können und sich wutentbrannt auf die jugendlichen Grabschänder gestürzt. Es hatte ein heftiges Handgemenge gegeben, in dem die Lederjacken den Kürzeren gezogen hatten, denn der Kampfeswille der Selbstmörder hatte Kamikaze Charakter gehabt. Die jungen Burschen hatten schließ lich die Flucht ergriffen, doch auch die Sieger hatten den Friedhof verlassen müssen, da, durch die Schlägerei alarmiert, mehrere Wachmänner mit Hunden auf das Gelände gestürmt waren.
Die Selbstmörder waren auseinander getrieben wor den, aber die zwanzig Hartnäckigsten von ihnen hatten ihren Weg am Meeresufer nach Norden fortgesetzt. Sie waren in trüben Gedanken nach Meilahti und von dort nach Seurasaari gewandert. Auf einem alten Lagerplatz am Meeresufer hatten sie ein Feuer gemacht und trüb
sinnig beisammengesessen. Sie hatten in die Flammen gestarrt und melancholische Lieder gesungen. Es war bereits Mitternacht gewesen.
Von Seurasaari hatten sie ihren Weg nach Ramsayn ranta und weiter nach Kuusisaari fortgesetzt. Jemand hatte vorgeschlagen, nach Otaniemi zu marschieren, in Dipoli sei der Nachtklub noch offen, man könnte sich Mut antrinken. Sie hatten sich ausgemalt, dass es von Dipoli nicht weit nach Keilalahti wäre, dort könnten sie sich Zutritt zum Hauptkontor der Neste AG verschaffen, mit dem Lift bis zum Dach hinauffahren und oben vom Turm ins Meer springen. Anführer der Gruppe war zu
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