Der wunderbare Massenselbstmord
Reiseroute zu verhan deln. Es wurde beschlossen, den Bus mit der Nase nach Osten, Richtung Humalajärvi, zu wenden. Mit viel Mühe ließ sich der Fahrer überreden, zu Rellonens Sommer haus zu fahren. Er erkundigte sich noch genau, wie hoch dort das Ufer und wie weit die Straße davon ent fernt sei. Er sei für den Bus verantwortlich, ein teures Fahrzeug.
11
In Urjala wurde für mehrere Tage Proviant eingekauft. Helena Puusaari besorgte außerdem große Kochtöpfe und Bratpfannen, denn die Küche im Sommerhaus war nicht für die Bedürfnisse einer Gruppenspeisung einge richtet. Ferner kaufte sie Einwegbecher und -teller sowie Papierlaken.
Müde hockten die Selbstmörder in dem Bus, den ein gereizter Fahrer steuerte. Der Aushilfskellner Seppo Sorjonen hingegen war munter und fidel. Er forderte seine Reisegefährten auf, einen Blick durchs Fenster auf die sommerliche Landschaft von Häme zu werfen, die in ihrer ganzen Pracht in der Nachmittagssonne badete. Sorjonen pries die Schönheit der Natur: die Kornfelder an der Straße, die kiefernbestandenen Kiesrücken, die dunklen Fichtenwälder und die hier und da hervorblit zenden Seen, die mit ihren tiefblauen Wellen darauf warteten, den Schwimmer sanft zu umarmen. Sorjonen fand, dass es eine große Sünde sei, in einem so schönen Land an Selbstmord zu denken.
Die Schönheit der Natur flößte den schweigsamen Reisenden jedoch keinen Lebensmut ein. Sie baten Sorjonen, den Mund zu halten.
Gegen Abend erreichte man den Humalajärvi. Die Leute schwärmten ans Seeufer und in die umliegenden Wälder aus, um sich mit der Gegend vertraut zu ma chen. Jemand fand im See eine halb volle Flasche Wod ka.
Die Frauen wurden im Haus untergebracht, die Män ner auf dem Hof. Uula Lismanki nahm sich des Außen lagers an: Mithilfe einiger Männer schleppte er Holzklo ben aus dem Schuppen und schichtete sie auf dem Hof für ein Lagerfeuer auf. Im nahen Wald wurden nach seinen Anweisungen Zweige aus dem Unterholz gebro chen, um daraus Schutzhütten zu errichten. Das Lager wurde äußerst bequem, schließlich hatte sich ein Fach mann darum gekümmert. Uula bedauerte, dass er nicht die vertrocknete Föhre auf dem Hof fällen durfte, um sie für das Lagerfeuer zu verwenden, aber er sah ein, dass man in der bebauten Landschaft des Südens nicht die gleichen Möglichkeiten hatte, draußen in der Natur zu übernachten, wie in der freien Wildmark des Nordens. Über das Feuer kam eine Hängevorrichtung für den großen Kaffeekessel, und dann baute Uula in die Ufer böschung einen Erdofen, die passende Platte dafür gewann er aus der Schieferpflasterung des Gehwegs. Auf den Ofen kam ein Zehnliterkessel, in dem die Frauen Wurstsuppe kochten. Zwei Kästen Bier wurden zum Abkühlen in den Brunnen hinuntergelassen.
Die vergangenen vierundzwanzig Stunden waren er eignisreich und anstrengend gewesen, und so zogen sich die Leute nach dem Genuss der Wurstsuppe zum Schla fen zurück. Oberst Kemppainen stieg zu dem wider spenstigen Fahrer in den Bus, um nach Helsinki zu fahren und sein Auto zu holen, das er dort stehen gelas sen hatte. Er wies die Gruppe an, unter Rellonens und Puusaaris Aufsicht am See zu lagern, bis er mit seinem Auto aus Helsinki zurückkäme. Das Kollektengeld nahm er mit und erklärte, er werde damit ein Girokonto bei der Bank eröffnen. Für die Finanzierung der Verpflegung hinterließ er eine entsprechende Summe bei seinen beiden Mitstreitern.
Zum Schluss schärfte der Oberst den Leuten noch ein, in seiner Abwesenheit keinen Selbstmord zu versu chen. Auch zum Nordkap sollte niemand auf eigene Faust fahren. Er sagte, er habe die Eigenmächtigkeiten seiner Gruppe satt.
»Sollte hier Polizei auftauchen und euch wegen des Vorfalls in Kuusisaari Fragen stellen, dann bestreitet eure Beteiligung daran. Ich werde in Helsinki nachhö ren, wie weit die Sache gediehen ist«, sagte der Oberst und stieg ein. Der Bus fuhr vom Grundstück und ver schwand.
Oberst Kemppainen blieb drei Tage in Helsinki. Er hatte eine Menge zu erledigen: das Kollektengeld einzu zahlen und kurzfristig anzulegen, das Auto abzuholen und durchsehen zu lassen, Rellonens Frau zu besuchen – der Oberst sollte dort einige Sachen für seinen Freund abholen und ausrichten, dass sie über das Auto ihres Mannes verfügen konnte. Der Gerichtsvollzieher machte Urlaub, diesbezüglich hatte sich also nichts Neues ereignet. Dann begab sich Oberst Kemppainen zum Generalstab, um seine
Weitere Kostenlose Bücher