Der wunderbare Massenselbstmord
dem Oberst, dass die Gruppe locker auf dreißig Personen anwachsen könnte, man müsste nur herumfahren und die Schicksalsgefährten einsammeln. Nach der Veran staltung in Helsinki war man ja auseinander gegangen, aber das hatte man jetzt korrigiert. Entschlossene Selbstmörder schien es in Finnland zur Genüge zu geben.
Der Oberst erklärte, dass es nicht möglich sein werde, die restlichen Selbstmordkandidaten in ganz Finnland einzusammeln. Er habe zwar jetzt wieder sein Auto zur Verfügung, aber das fasse nur eine begrenzte Anzahl von Personen, und außerdem sei er nicht gewillt, seine Gruppe noch weiter anwachsen zu lassen. Auch an dieser jetzigen Herde habe er genug zu hüten, fand er.
Helena Puusaari bezichtigte ihn der Kaltherzigkeit. Sie fand, man sollte unbedingt überlegen, noch ein paar zusätzliche Mitglieder aufzunehmen. Es bestand die Gefahr, dass viele, die sich von der Gemeinschaft ge trennt hatten, Selbstmord begingen, wenn sie merkten, dass sie wieder mit ihren Problemen allein waren.
Die beste Nachricht für den Oberst hatten sich die Gruppenmitglieder bis zum Schluss aufgehoben. Sie hatten sich ein eigenes Fahrzeug beschafft! Oder wenig stens hatten sie eines in Aussicht.
Der Oberst schrie auf. Er verwaltete zwar eine bedeu tende Summe Kollektengeld, doch für den Ankauf eines eigenen Busses reichte es nie und nimmer. Hatten sich die Freunde wieder auf irgendwelche Verrücktheiten eingelassen? Die anderen beruhigten ihn. Sorjonen hatte während seiner Abwesenheit die Mappen danach durch forstet, ob sich nicht unter sechshundert Schicksalsge fährten einer fand, der bei der Beschaffung eines Busses oder auch eines Wasserbusses behilflich sein konnte. Die Mühe hatte sich gelohnt: Ein ganzes Binnenschiff war zu haben! Es handelte sich um die 1912 gebaute MS Varistaipale, die seinerzeit im Passagierverkehr auf dem Saimaa zwischen Kuopio und Lappeenranta gefah ren war. Der Eigentümer hatte seinen Glauben an den Schiffsverkehr verloren und beabsichtigte, Selbstmord zu begehen. Aber wenn jemand an dem Schiff interes siert sei, würde er es kostenlos abgeben, allerdings müssten die künftigen Eigner es zunächst selbst instand setzen. Arbeit gäbe es genug, das Schiff war vor Jahren in Savonlinna eingedockt worden, und sein Rumpf war total verrostet. Es würde sich kaum an der Oberfläche halten. Das schreckte die Selbstmörder durchaus nicht. Es wäre doch praktisch, wenn das Schiff spätestens im Herbst untergehen und sie alle, wie sie waren, mit in die Tiefe nehmen würde.
Der Oberst weigerte sich strikt, Eigner eines Schrott kahns zu werden, und riet seiner Gruppe, die ganze Sache zu vergessen.
Nun stellten ihm die Mitglieder eine andere, noch be geisterungswürdigere Alternative vor. In Pori hatten sie den selbstmordgefährdeten Busunternehmer Rauno Korpela ausfindig gemacht, Eigentümer und Geschäfts führer von Korpelas Tempo-Linien AG, der ebenfalls auf die Zeitungsannonce des Oberst und seiner Freunde geantwortet hatte. Er hatte nicht an der Versammlung in Helsinki teilnehmen können, da er gerade an jenem Wochenende einen neu erworbenen Reisebus von der Karosseriefabrik in Lieto abholen musste. Busunter nehmer Korpela hatte sich überaus erfreut gezeigt, als er vom Anliegen der Selbstmordgruppe gehört hatte. Er hatte gesagt, dass er dauernd geschwankt hatte, ob er sich umbringen oder seinen neuen Reisebus einfahren sollte. Gerade im rechten Moment hatte das Telefon geklingelt, und es waren die Selbstmörder mit ihrer Anfrage gewesen.
Korpela hatte versprochen, mit seinem neuen Bus nach Häme zu kommen, sowie der Kommandeur der Gruppe, Oberst Kemppainen, von seiner Tour nach Helsinki zurückgekehrt sei. Er warte auf die Starter laubnis. Er habe nichts zu verlieren und sei zu allem bereit.
Dem Oberst blieb nichts weiter übrig, als Korpela an zurufen. Der Busunternehmer lachte erfreut und ver sprach, sofort loszubrausen.
»Reißt schon mal das Tor auf, ich fahre wie ein Hen ker«, verkündete er.
12
Gegen fünf Uhr morgens erwachten die Lagerinsassen am Humalajärvi davon, dass ein riesiger Luxusbus auf den Hof geschaukelt kam. Busunternehmer Korpela war eingetroffen. Er stoppte das zwanzig Tonnen schwere Fahrzeug unmittelbar zwischen den draußen errichteten Hütten und hupte dröhnend.
Korpela, ein Mann um die sechzig, sprang behände heraus, er trug einen blauen Anzug wie ein Pilot und eine Mütze mit glänzendem Schirm. An der Flanke des
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