Der wunderbare Massenselbstmord
nagelneuen Fahrzeugs stand in Metallleuchtfarben der Firmenname: Korpelas Tempo-Linien, Pori. Der Busun ternehmer rief den Männern in der Schutzhütte zu:
»Da bin ich! Hier lagern also all die Selbstmörder?« Die Gruppe versammelte sich, um ihr neues Mitglied
zu begrüßen und den feinen Bus zu bewundern. Korpela gab zuerst dem Oberst die Hand, dann
begrüßte er die übrigen Anwesenden. Er musterte die Gesellschaft beifällig. Dann stellte er seinen Bus vor, bat zuerst die Frauen einzusteigen, dann die Männer.
»Dies ist das teuerste Auto, das man in den nordi schen Ländern für Geld kriegen kann, es hat zwei Mil lionen Mark gekostet«, erzählte Korpela stolz. Er betonte, dass der Bus brandneu war und dass er damit nur von der Karosseriefabrik Lieto nach Pori und von dort über Nacht hierher an den Humalajärvi gefahren war. Der Bus hatte vierzig Sitzplätze und ein dreiachsiges, stabi les Fahrgestell. Hinten brummte ein fast vierhundert PS starker, zwischengekühlter Motor. Innen war der Bus teilweise doppelstöckig – der Fahrersitz befand sich unten, die Plätze für die Reisenden waren oben. Unten gab es auch eine Küche mit Mikrowelle und Kühl schrank, eine Chemotoilette und eine Garderobe. Oben war im hinteren Teil ein Beratungsraum für zehn Perso nen abgeteilt. Der Bus war mit Videogeräten ausgerü stet, hatte ein Zentralradio, eine Klimaanlage, die Sitze waren breiter als in den Erste-Klasse-Bereichen der Düsenflugzeuge. Ein prachtvolles Fahrzeug, in der Tat.
Auf dem Hof wurde ein Feuer entfacht und der große Kaffeekessel darüber gehängt. Die Frauen deckten auf der Terrasse des Hauses das Frühstück ein. Auf den Tisch kam das Beste, was das Lager zu bieten hatte: Aufschnitt, gekochte Eier, Brötchen aus dem Erdofen, Fruchtsaft und Kaffee. Helena Puusaari geleitete Busun ternehmer Rauno Korpela an den Frühstückstisch.
Korpela war munter und lebhaft und wirkte nicht müde, obwohl er die ganze Nacht hindurch gefahren war. Er erklärte, dass sein Bus so gut ausgestattet sei, dass man damit sogar eine ganze Woche lang ununter brochen fahren könne, ohne zwischendurch Kaffee oder gar Schlaf zu brauchen.
Der Oberst holte die Mappe, die neben anderen auch Korpelas Antwortschreiben auf die Zeitungsannonce enthielt. In dem Umschlag steckte nur die Visitenkarte der Firma, und auf die Rückseite hatte Korpela ge schrieben: »Bin sehr an Selbstmord interessiert, habe aber jetzt keine Zeit, ausführlicher zu schreiben. Meldet euch, dann diskutieren wir mehr über das Thema.«
Der Oberst schloss die Mappe. Dann klärte er den Busunternehmer über seine Gruppe auf. Er verriet, dass er die Briefe von mehr als sechshundert Finnen erhalten habe, auf deren Grundlage das Seminar in Helsinki veranstaltet worden sei. Nachdem er den Verlauf des Seminars und alles, was danach geschehen war, darge legt hatte, fragte er Korpela, ob er das Anliegen der Gruppe richtig begriffen habe. Es handle sich hier nicht um Tourismus der Luxusklasse, sondern um Menschen mit existenziellen Ängsten, die es vereint zu lindern gelte. Dann erkundigte sich der Oberst noch, welche Probleme Korpela selbst hatte und ob er darüber spre chen wollte.
Korpela sagte, dass er am Telefon gründlich über die Idee der Selbstmordgruppe informiert worden und sich über ihr Ziel, das im gemeinsamen glücklichen Tod bestehe, absolut im Klaren sei.
»Ich bin unbedingt für die Idee.«
Korpela erzählte, dass er Witwer sei, aber das sei nicht sein Problem, im Gegenteil. Er habe andere Grün de, sich umzubringen, und die seien garantiert schwer wiegend genug. Er wolle jedoch nicht jetzt vor allen
Leuten darüber reden und seine Probleme ausbreiten. Er wolle nur sich selbst und vor allem sein Fahrzeug zur Verfügung stellen, unentgeltlich. Seinetwegen könne man bis ans Ende der Welt fahren. Am Telefon sei ihm von einer eventuellen Selbstmordfahrt ans Nordkap erzählt worden. Er halte das für eine ausgezeichnete Idee. Er sei ein Mann der langen Reisen, er würde sich nie zu Hause umbringen. Er brächte zwar seinen Selbstmord auch allein zustande, aber der Gedanke an eine Zusammenarbeit auf diesem Gebiet gefalle ihm.
Weiter erklärte Korpela, dass er seine Busfirma jeder zeit aufgeben konnte. Er hatte keine Erben, nur entfern te Verwandte, mit denen er noch nie ausgekommen war. Seine eigentliche Arbeit, Chartertouren durch ganz Finnland, war ihm in den letzten Jahren gründlich vermiest worden. Er hatte die
Weitere Kostenlose Bücher