Der wunderbare Massenselbstmord
dass der Urlaub in Norwegen nun beendet sei. Sie hat-ten eine Woche lang das Leben im wilden Norden genos sen, jetzt ging es in den Süden, nach Haaparanta, wo Oberst Kemppainen und Uula Lismanki bald eintreffen mussten. Elsa Taavitsainen beizte noch zwanzig Kilo Lachs, dann wurde das letzte Lager abgebaut, man badete ein letztes Mal und fuhr los.
Oberst Kemppainen und Uula Lismanki waren inzwi schen in Ivalo eingetroffen, um den Pass zu besorgen. Uula blieb im Touristenhotel, um mit ein paar alten Bekannten zu schwatzen, während sich der Oberst ins Büro des Kommissars begab.
Zu seiner Überraschung stellte der Oberst fest, dass er den Kommissar von früher kannte, sie hatten zu sammen denselben Kurs der Reserveoffiziere in Hamina besucht. Armas Sutela, ehemals ein magerer und schüchterner Bursche, war jetzt ein strammer Kerl um die fünfzig, betrieb aber immer noch sein Hobby, die Ornithologie, er beobachtete Vögel. Sutela bedauerte, dass er keine Zeit habe, sich länger mit Kemppainen zu unterhalten. In Utsjoki sei ein schamloses Verbrechen begangen worden, das ihn den halben Sommer beschäf tigt habe, ohne dass er es letztlich habe aufklären kön nen. Den Pass für Uula Lismanki versprach er auszu schreiben, sowie das beantragte Führungszeugnis aus Utsjoki eingetroffen sei und der Rentiermann ein Foto habe machen lassen. Lismanki müsse persönlich er scheinen, um die Dokumente zu unterschreiben.
Der Oberst erzählte, dass er beabsichtigte, die Wartetage zusammen mit Uula Lismanki am Inari zu verbringen, wo sie kleine Maränen fischen wollten. Hatte der Kommissar nicht wenigstens einen Tag Zeit, oder auch zwei, um zu ihnen hinauszukommen? Er könnte die Wasservögel am See beobachten, wenn er sonst keinen Zeitvertreib fände. Sie könnten dort Erinnerun gen an die alten Zeiten in Hamina austauschen.
Der Kommissar bedauerte, aber er sehe sich gezwun gen, die Einladung auszuschlagen. Der Fall in Utsjoki sei wirklich heikel und verschlinge seine ganze Zeit und Kraft.
Die skandalöse Tat war im Gelände am Pissutsuol lamvärri begangen worden, in der nordöstlichen Wild-mark des Nationalparks Kevo, gut zehn Kilometer von der norwegischen Grenze entfernt. Zu Beginn des Som mers war ein zehnköpfiges amerikanisches Filmteam dort hinausgefahren, mit der Absicht, eine Filmserie über die Bedingungen in den stalinistischen Strafgefan genenlagern von Vorkuta im Nordwesten Russlands zu drehen. Da die Filmleute trotz Glasnost keine Einreise genehmigung für den Originalschauplatz erhalten hat-ten – vielleicht wegen der in Vorkuta tobenden Berg werkstreiks –, waren sie auf die Idee gekommen, die trostlosen Gefangenenlager in einer ähnlichen Land schaft auf finnischer Seite nachzubauen. Das Team hatte mithilfe eines örtlichen Führers das geeignete Gelände am Pissutsuollamvärri gefunden, eine wirklich trostlose Tundralandschaft. Mit dem Hubschrauber war die Ausrüstung hingeschafft worden, und dann hatte man sich darangemacht, ein großes Konzentrationslager im russischen Stil aufzubauen. Alles wäre gut gegangen, wenn sich nicht der teuflische örtliche Führer als krimi neller Charakter erwiesen hätte. Er hatte die Kasse des Filmteams gestohlen, und die war nicht klein gewesen, nach Schätzung des Kommissars war fast eine halbe Million Mark verschwunden. Der Aufbau des Gefange nenlagers war zum Stillstand gekommen, nur ein paar Wachtürme und hundert Meter Stacheldraht waren fertig geworden. Das amerikanische Filmteam hatte sich über das Missgeschick so geärgert, dass es nach Erstat ten der Strafanzeige das Land verlassen hatte. In einigen Zeitungen der USA hatte es wütende Berichte über den tückischen Lappenmann gegeben, der gutgläubige Film künstler um ihr Geld erleichtert hatte. Als neuer Dreh ort waren dem Vernehmen nach die masurischen Sümp fe in Polen auserkoren worden. Auch die waren trostlos genug, sodass sie genauso gut ein Vorkuta abgaben wie der elende Pissutsuollamvärri.
»Daraus hat sich ein internationaler film- und außen politischer Skandal entwickelt, verflucht noch mal! Beteiligte gibt es in Vorkuta, Kalifornien und Polen, und ich hechle hier mittendrin herum. Glaubst du jetzt, dass ich keine Zeit zum Fischen habe, Hermanni?«
Am nächsten Tag, als der Oberst mit Uula das Marä nennetz im Inari ausprobierte, betrachtete er seinen Gefährten sinnend. Er konnte sich nicht verkneifen, Uula von dem dreisten Verbrechen zu erzählen, das
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