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Der wunderbare Massenselbstmord

Titel: Der wunderbare Massenselbstmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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Selbst­ mörder sagten. Der Finne hatte den Deutschen alles übersetzt, die stumm den Kopf geschüttelt hatten.
    In ihrer allgemeinen Freude nahmen die Gruppenmit­ glieder das nicht weiter wichtig. Die Deutschen wunder­ ten sich sowieso immer über die Finnen, Uula konnte ganz beruhigt sein.
    Am Morgen erwachte Korpela zeitig. Er ging zum Bus, um den Motor warmlaufen zu lassen. Er war bereit, einen neuen Versuch zu starten.
    Der Bus stand auf der Straße neben dem Zelt. Korpe­ la rief durchs offene Fenster hinüber, dass es Zeit sei, aufzuwachen und einzusteigen. Diesmal wollte er nicht wieder anhalten, selbst wenn sämtliche Passagiere den Halteknopf drücken würden.
    Aus dem Zelt kam keine Antwort, und niemand kroch heraus. Nanu, die Leute schliefen aber fest. Korpela schaltete den Motor aus und ging hinüber, um die Selbstmörder zu ihrer letzten Fahrt zu wecken.
    Aus dem Zelt tönte verdächtig intensives Schnarchen. Es hörte sich an, als hätten die Selbstmörder wochen­ lang hintereinander die Nächte durchwacht, so fest schliefen sie jetzt. Als Korpela einen der Schnarcher am Bein rüttelte, schniefte der nur, drehte sich um und schlief weiter. Sogar Helena Puusaari und Frau Gran­ stedt schnarchten so laut, dass das Zeltdach bebte.
    Korpela brüllte einen Weckruf. Er hatte eine kriegeri­ sche Stimme, wenn es darauf ankam. Die Leute spran­ gen scheinbar erschrocken auf, aber es war zu sehen, dass sie nur leicht geschlafen hatten. Sie hatten einfach keine Lust, in Korpelas Todesbus einzusteigen. Ihr Wunsch, sich umzubringen, war nach dem gestrigen Erlebnis erloschen. Die Stimmung war inzwischen deut­ lich lebensbejahend.
    Die Gruppenmitglieder krochen lustlos aus dem Zelt, aber kein Einziger von ihnen stieg in den Bus, der auf der Straße wartete. Stattdessen wurden Vorbereitungen fürs Frühstück getroffen. Der Kapitän zu Lande, Mikko Heikkinen, schraubte die Schnapsflasche auf und nahm einen Morgenschluck. Er klagte über seinen Kater, die anderen hatten dasselbe Leiden, aber sie begnügten sich mit Tee.
    Nach ein paar Schlucken aus der Flasche wurde Heikkinen wieder munter. Er kam auf den Selbstmord zu sprechen. Was ihn betreffe, so wolle er zunächst darauf verzichten, sagte er. Er wolle in seiner restlichen Lebenszeit noch jede Menge Schnaps saufen. Auf der bisherigen Fahrt habe er den Kummer vergessen, den ihm seine verrostete MS Varistaipale bereitet habe. Insofern könne er sich auch irgendwann später umbrin­ gen.
    Viele andere dachten genauso. Der pensionierte Inge­ nieur Jarl Hautala sagte, dass er den Massenselbstmord von dem Moment an unterstützt habe, als die Idee am Ende des Helsinkier Seminars aufgekommen sei. Er sei gern unter dem Aspekt eines späteren Todes mit den anderen zusammen gewesen. Er habe die Rundfahrt durch das Heimatland, den Sommer und das Zusam­ mengehörigkeitsgefühl außerordentlich genossen. Die Begräbnisse am Rande der Fahrt seien sehr schön ge­ wesen. Besonders belebend hatte auf ihn die Fahrt in den Norden gewirkt.
    »Aber jetzt, da wir an unserem eigentlichen Ziel ange­ langt sind, und besonders nach dem gestrigen geschei­ terten Versuch, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es begründet wäre, den Massenselbstmord zu verschie­ ben. In meinem Herzen ist ein zartes Flämmchen des Lebenswillens aufgeflackert. Daraus wurde auf der gestrigen Todesfahrt ein größeres Feuer. Als ich heute Morgen erwachte, dachte ich bekümmert an den bevor­ stehenden Todesmoment. Und als mein Freund Korpela rief, wir sollten einsteigen, begann ich laut zu schnar­ chen. Ich bemerkte, dass sich auch die anderen schla­ fend stellten. Ich denke, dass wir noch nicht ganz reif für den Tod sind. Ich verstehe Kapitän Heikkinens Standpunkt sehr gut, auch wenn ich persönlich Alkohol nicht schätze.«
    Korpela lauschte Hautalas Worten verdrossen. Er hat-te sich gutwillig zur Verfügung gestellt, war mit seinem teuren Bus in den äußersten Winkel Europas gefahren. Jetzt stellte sich heraus, dass der ganze Ausflug um­
    sonst gewesen war. Man hatte ihn genarrt. Tausende von Kilometern waren auf dem Tacho zusammenge­ kommen, als die Selbstmörder in ganz Finnland abge­ holt wurden, und dies war nun das Ergebnis. Auch
    weniger genügt, um einen Mann der Tat auf die Palme zu bringen.
    »So denkt ihr also. Wie nett! Ich reiße mir den Arsch auf, und jetzt will sich auf einmal gar keiner umbringen. Aber eines sage ich gleich, ich werde diesen Haufen nicht wieder nach Finnland

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