Der wunderbare Massenselbstmord
dass jede finnische Tafel bis zum Ende des Jahrtausends versorgt wäre und noch Millionen Flaschen für die Wo chenendsauferei übrig blieben.
Die Finnen hatten die vergangene Woche in diesem Tal verbracht, in seinen Dörfern und Kleinstädten. Sie waren mit Korpelas Bus durch das Elsass gefahren und hatten nach drei Frauen gesucht, die aus ihrer Gruppe entwischt waren.
Im Schwarzwälder Rekonvaleszenzlager war nämlich zum Entsetzen aller festgestellt worden, dass die drei jüngsten Frauen der Gruppe nicht vom täglichen Le bensmitteleinkauf zurückgekehrt waren. Es handelte sich um die Bankangestellte Hellevi Nikula aus Seinäjo ki, die Fließbandarbeiterin Leena Mäki-Vaula aus Hau kipudas und die Friseurin Lisbeth Korhonen aus Espoo. Sie waren von der Lebenslust übermannt worden. Sie hatten schon vorher offen von einem Ausflug nach Frankreich geschwärmt, und so war man auf die Idee gekommen, hier im Elsass nach ihnen zu suchen. Kor pela hatten sie für die Sache gewinnen können, indem sie an seine patriotischen Gefühle appelliert hatten: Finnen lassen ihre Gefährten nicht im Stich. Seppo Sorjonen hatte ihm die skandalöse Szene ausgemalt, wie drei junge Frauen erhängt am Firstbalken einer franzö sischen Dorfmühle oder in einem Glockenturm aufge funden werden, mit schwarzen Gesichtern und ver rutschten Strümpfen.
Die Gruppe hatte sich bei der Suche nicht beeilt, son dern gut gegessen und getrunken, in gemütlichen alten Gasthäusern gewohnt und das Leben genossen. Der Oberst wusste noch die Namen der Städte: Thannen kirch, Rorschwihr, Bergheim, Mittelwihr, Ribeauville, Guemar, Zellenberg. Das Gebiet lag nah an der Grenze zu Deutschland, viele Städte hatten deutsche Namen. Zuletzt hatte man in Saint Hippolyte übernachtet, einer Stadt, die dicht bei der Burg lag, von der der Oberst gerade ins Tal hinuntersah. Seine Hand strich verstoh len über Helena Puusaaris Hinterpartie, die ihn an die Magdeburger Halbkugeln erinnerte.
In der größten Stadt des Gebietes, Colmar, hatte sich der Oberst an die Polizei gewandt, eine Anzeige wegen der drei verschwundenen Frauen aufgegeben und ge sagt, dass sie sich vermutlich in der Gegend aufhielten. Die Polizei hatte sich zunächst nicht sonderlich für die Vermissten interessiert, da diese volljährig waren. Als der Oberst mitgeteilt hatte, dass alle drei Frauen zu Depressionen neigten und, wie zu Hause in Finnland festgestellt, Selbstmordabsichten hatten, hatte die Poli zei von Colmar versprochen, sachdienlichen Hinweisen nachzugehen. Der Oberst hatte jeden Tag in Colmar angerufen und sich nach den Vermissten erkundigt, aber bisher waren sie nicht aufgetaucht. Zwar waren in der vergangenen Woche drei allein reisende Frauen im beschriebenen Alter in der Gegend unterwegs gewesen, aber sie stammten aus Schweden, und ihr Verhalten hatte durchaus nicht auf Depressionen, geschweige denn auf Selbstmordabsichten hingedeutet. Die schwe dischen Frauen waren in einer Art Freudentaumel von Ort zu Ort gezogen, in ihrem Schlepptau Scharen ein heimischer Männer, Weinbauern und andere. Überall dort, wo die Schwedinnen aufgetaucht waren, hatte die Arbeitsmoral der männlichen Bevölkerung schwer gelit ten. Der Polizei von Colmar war nichts anderes übrig geblieben, als die Frauen wegen ihres fragwürdigen Verhaltens zu verhaften. Sie befanden sich in Colmar im Arrest. Die Beamten versprachen, sich jetzt intensiv auf die Suche nach den Finninnen zu machen, da sie nach Abwehr des schwedischen Angriffs wieder über mehr Zeit verfügten.
Der Oberst konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf die Erläuterungen der Reiseführerin. Sie erklärte, dass von eben diesem Turm, aus großer Höhe, im Verlaufe der Jahrhunderte zahlreiche aufsehenerregende Selbst morde durch einen Sprung auf die darunter liegenden Felsen verübt worden waren. Die Anonymen Sterblichen traten interessiert an die Schießscharte und spähten nach unten. Feldwebel d. R. Korvanen passte jedoch auf: Er knurrte mit der Kommandostimme des Unteroffi ziers, dass die Finnen ja nicht vor den Augen der vielen internationalen Touristen vom Turm springen sollten. Gehorsam umringte die Gruppe wieder die Reiseleiterin, um ihren Erklärungen zu lauschen, die jetzt von der Periode handelten, in der die Burg zu Österreich gehört hatte.
Die Frau berichtete, dass es ab dem sechzehnten Jahrhundert einigermaßen genaue Informationen über das Leben und die Zustände auf der Burg gab. Das lag darin
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