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Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition)

Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition)

Titel: Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Hodder
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Hinterfragt nicht!«
    Plötzlich erfüllte die Schwere einer Gegenwart den Raum, die zu spüren, aber nicht zu sehen war.
    Die Uhr blieb stehen.
    Ein seltsamer Tonfall schlich sich in die Stimme des Gastgebers. Es war, als begönne eine andere – weibliche – Person, ihre Worte über seine Stimmbänder zu legen.
    »Wir werden heute Nacht hinausgehen, wie wir es schon zuvor getan haben. Wir werden den Menschen die Schwingungen der Veränderung zutragen. Wir werden sie zu wahrer Freiheit führen.«
    »Zu wahrer Freiheit!«, riefen die Versammelten im Sprechchor.
    »Arg!« , stieß der Gastgeber hervor.
    Burton starrte ihn an. Der Mann hatte unverhofft den Kopf zurückgerissen und den Mund geöffnet. Eine blubbernde, wabernde, kugelförmige Substanz stieg tief aus seinem Rachen in die Luft empor – der Agent des Königs konnte sehen, wie sich die Kehle des Mannes wellte, als die Masse durch sie aus dem Körper glitt.
    Ektoplasma!
    Das sonderbare Material, das sowohl die Eigenschaften einer Flüssigkeit als auch eines Gases besaß, rollte und kräuselte sich in die Wolke des Tabakrauchs empor. Burton kniff die Augen zusammen und wusste nicht recht, was er von der Szene halten sollte, die sich vor ihm entfaltete. Die Rauchschicht schien leicht zu schimmern und sich über der Mitte des Tisches nach unten zu wölben.
    Mittlerweile füllte die weibliche Stimme den gesamten Raumaus. Sie kam nicht mehr von dem Mann, sondern hallte, so schien es, in der Atmosphäre selbst wider.
    »Entsendet eure Astralleiber, meine Söhne. Unternehmt unser großes Werk! Geht hinaus und berührt die Seelen der Unaufgeklärten!«
    Die Beule im Rauch verdichtete sich rasch zur Form des Kopfes und der Schultern einer Frau, die verkehrt herum aus der Wolke hing. Ein wirbelnder, schleierartiger Arm streckte sich, und ein verschwommener Finger berührte einen der Aufrührer an der Stirn. Erstaunt beobachtete Burton, wie sich eine geisterhafte Gestalt vom sitzenden Körper des Mannes löste. Einen Moment lang schwebte sie hinter ihm, bevor sie von einer nicht spürbaren Brise verweht wurde und sich in der Düsternis des Raumes auflöste.
    »Geht hinaus, Apostel, und befreit die Geknechteten und Unterdrückten.«
    Die Stimme sprach mit russischem Akzent.
    Der Finger der Frau berührte einen zweiten Mann; ein Geist löste sich von ihm und verschwand. Sie drehte sich, bis sie den Aufrührer ansah, der links neben Burton saß. Ihre Augen waren pechschwarz und funkelten im Rauch wie Juwelen.
    »Reise durch die Astralebene, mein Kind, und …«
    Jäh verstummte sie.
    Ihr Blick schwenkte zu Burton und heftete sich auf ihn.
    »Sie!«
    Er zuckte auf dem Stuhl zurück, sog scharf die Luft ein und versuchte aufzustehen, was ihm jedoch nicht gelang. Urplötzliche Schmerzen schienen seinen Hinterkopf zu zerquetschen, als hätte sich eine kalte Hand mit qualvollem Druck auf sein Gehirn gesenkt.
    »Eindringling! Spion!«
    Sie hatte nicht laut gesprochen. Ihre Stimme ertönte nunmehr in seinem Schädel.
    Der Gastgeber zuckte und würgte, während das Ektoplasma weiter aus seinem Mund floss. Die beiden Männer, deren Astralleiber entschwunden waren, saßen mit ausdruckslosem Blick und regungslosen Mienen da. Die drei anderen Männer drehten die Köpfe und musterten Burton. Einer von ihnen sagte etwas, doch es drang kein Laut über seine Lippen. Im gesamten Raum ertönten überhaupt keine Geräusche; eine vollkommene, übernatürliche Stille hatte sich ausgebreitet.
    Alles verlangsamte sich und kam zum Stillstand. Nur die Geisterfrau bewegte sich noch.
    Irgendetwas bohrte sich in Burtons Geist.
    » Wer sind Sie? «, zischte sie mit rollendem R.
    Der Agent des Königs zuckte zusammen und kämpfte gegen ihr tastendes Eindringen an. Raus aus meinem Kopf!
    »Meine Güte! Wie wehrhaft! Ich bin beeindruckt. Sie besitzen Willenskraft. Aber egal, Ihre Verteidigung ist bedeutungslos für mich. Ihr Name ist Richard Burton. Ah. Wie ich sehe, genießen Sie einen gewissen Ruf. Als Gelehrter, als Entdecker und   … als Störenfried!«
    Burton stellte sich bildlich die mentalen Kammern und Gebilde vor, die er durch Selbsthypnose errichtet hatte, und klinkte sich so aus seinem momentanen Bewusstsein aus. Sein Wissen um Edward Oxford – und um eine Zukunft, die vom Schicksal vorgesehen gewesen, jedoch durch eine andere ersetzt worden war – schob er beiseite. Er ignorierte alle Wege in seinem Hirn, die in diese Richtung verliefen, und ließ sie so völlig unbedeutend

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