Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition)
hinausgegangen. Ziellos war er umhergewandert, umgeben von Chaos. Menschen kippten Fahrzeuge um, schlugen Fenster ein, setzten Geschäfte in Brand, griffen einander an und sangen etwas über die feine Gesellschaft und eine Art Verschwörung.
Sein Gedächtnis ließ ihn im Stich. Die vergangenen Stunden waren für ihn nur ein alkoholdurchwirkter verschwommener Brei. Er streifte durch das Durcheinander, und die Aufständischen ließen ihn zufrieden.
Die Feen jedoch nicht.
Sie tänzelten am Rand seines Sichtfelds, flüsterten ihm ins Ohr und folgten ihm, wohin er auch ging. Er weinte und brüllte sie an, damit aufzuhören ihn heimzusuchen. Er versuchte es mit Vernunft, im Befehlston und mit Flehen. Sie schenkten seinen Bemühungen keinerlei Beachtung.
Er wankte in das Bricklayer’s Arms in der Bedfort Street undhatte vor, sich systematisch die Lichter auszuschießen. Alkohol in großzügigen Mengen funktionierte immer, und er hatte herausgefunden, dass Feen auf Burgunder besonders allergisch reagierten.
Das Wirtshaus strotzte vor allerlei gemeinem Volk, doch das spielte keine Rolle, weil die Arbeiterschaft in den vergangenen Wochen großes Wohlwollen für die Aufrührer entwickelt hatte. Wie ein Mann einmal zu ihm gesagt hatte: »Euch hochnäsigen Knilchen muss echt ma’ ’ne Lektion erteilt werden, Kumpel, aber weil du einer von die Aufrührerkerle bist, bring ich dir nur bei, wie man hackedicht wird.«
Glas um Glas wurde für ihn bezahlt. Doyle leerte beflissen eines nach dem anderen, und das Nächste, woran er sich erinnerte, war, dass er inmitten einer dunklen, von Nebel durchzogenen Gasse in einem Hauseingang erwachte.
Wie viel Zeit war verstrichen? Doyle wusste es nicht. In nicht allzu weiter Ferne hörte er Schreie, Gebrüll und Gewalt. Er schlief wieder ein.
Die Feen schlichen sich in seine Träume. »Es liegt dir im Blut, uns zu sehen«, sagten sie zu ihm. »So war es schon bei deinem Vater, und so ist es auch bei deinen Söhnen.«
Abermals erwachte er. Mühsam rappelte er sich auf und wankte weiter. »Gütiger Himmel«, lallte er. »Werden die etwa auch meine Jungs heimsuchen?« Der junge Innes ließ schon jetzt Anzeichen von nüchterner Sachlichkeit erkennen. Vielleicht würde er seinen Peinigern widerstehen können. Aber der kleine Arthur – der liebe kleine, fantasievolle Arthur – wie würde es ihm ergehen? Der Gedanke an seine Kinder, seine Frau und seine Unfähigkeit, sie zu beschützen, trieb ihm Tränen in die Augen. Er begann zu weinen, und konnte nicht mehr damit aufhören.
Die Zeit verging, und Doyle bekam nur Bruchstücke von dem mit, was um ihn herum geschah. Straßen zogen an ihm vorüber. Rauch. Dampf. Tumult. Er fand sich plötzlich in einer weiteren verdreckten Nebenstraße und in einem weiteren heruntergekommenen Wirtshaus wieder. Wie zuvor finanzierte eine ausgelassene Menschenmenge bereitwillig seine außer Rand und Band geratene Trunksucht.
Trotz des Weines begannen die Feen wieder, um seine Füße zu huschen. Entweder wurden sie stärker, oder er wurde schwächer. Er trank und wanderte umher und trank und weinte und trank und redete wirr vor sich hin – und dann schlug Big Ben urplötzlich Mitternacht, und von einer Sekunde auf die andere nahm Doyle seine Umgebung bewusst wahr.
Klarheit!
Es gab etwas, das er zu tun hatte, einen Ort, an den er sich begeben musste, einen Drang, dem er nicht widerstehen konnte.
Doyle befand sich am Rand der Strand. Die Straße war gesperrt und wurde von der Polizei gesichert. Vom Trafalgar Square im Westen bis zur Fleet Street im Osten bestand keine Möglichkeit, sie zu betreten. Er hatte keine Ahnung, warum er unbedingt auf die berühmte Hauptverkehrsader wollte, aber die Entschlossenheit, es zu tun, war überwältigend.
Kingsway und Aldwych erwiesen sich als blockiert. Dasselbe galt für die verschiedenen anderen Zugänge, die von Norden an die Hauptstraße grenzten oder im Süden von der Themse herauf zu ihr führten. Nur die Bridewell Alley hatte man übersehen, vermutlich aufgrund ihrer extremen Enge und des Umstands, dass sie von Müll verstopft war.
Doyle huschte hinein, trabte die Gasse entlang und stolperte auf die breite Straße dahinter. Die Strand hatte zu Londons prächtigsten Tummelplätzen gezählt, nun jedoch knirschte unter den Füßen zerbrochenes Glas, und viele Gebäude präsentierten sich geplündert, geschwärzt und ohne Fensterscheiben.
Es wimmelte von Tausenden Aufrührern und Geistern. An Letztere war Doyle
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