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Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition)

Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition)

Titel: Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Hodder
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gewöhnt. Er selbst hatte sich in den vergangenen Monaten unzählige Male in Phantomform hinausgewagt. Die festen Körper hingegen bereiteten ihm Unbehagen. Ihre milchigen Augen, ihre bläulich-graue Haut und ihr schlurfender Gangzeugten vom Jenseits. Und tatsächlich erfüllte der erstickende Gestank von verwesendem Fleisch die Luft.
    Er richtete den Blick auf den Boden, schaute nicht auf, und bahnte sich den Weg an ihnen vorbei, bis er ein prunkvolles altes Gebäude erreichte, das die Krawalle unbeschadet überstanden hatte. Doyle war nur verschwommen bewusst, was er tat, als er in das luxuriöse Haus wankte und fünf Treppenfluchten hinaufstieg. Er klopfte an eine Tür und trat ein.
    Feen huschten um seine Fußgelenke.
    Er setzte sich an einen Tisch. Seine Hände wurden ergriffen. Jemand sagte mit trockener, rauchiger Stimme etwas über das größere Wohl der Menschheit.
    »Dem größeren Wohl der Menschheit«, sagte er wie eine Maschine nach. Dann: »Freiheit! Befreiung! Anarchie! Keinen Gott!«
    »Deine Ketten sind unzerbrechlich, Weichhäutiger.«
    »Lasst mich zufrieden«, zischte er leise, dann rief er mit erhobener Stimme: »Regeln müssen gebrochen werden! Der Anstand muss herausgefordert werden. Der Status quo muss aus dem Gleichgewicht gebracht werden! Wahre Freiheit!«
    »Sklave der Widersprüche!«, spottete eine Fee. »In deinem Kopf sind nur zwei Augen. Öffnet sich das dritte für dich nicht?«
    Die russische Frau erschien, wie sie es schon viele Male zuvor getan hatte. »Geht hinaus, Apostel», sagte sie. »Befreit die Geknechteten und Unterdrückten.«
    Sie streckte die Hand aus, um ihn zu berühren.
    Doyle wusste, was geschehen würde, und er wusste, dass es schon zu viele Male davor geschehen war. Diesmal würde es das letzte Mal sein. Nach so vielen Abspaltungen fühlte er sich zu erschöpft für die Wiedervereinigung.
    Er versuchte, nein zu sagen. Doch es misslang ihm.
    Ihr nebelartiger Finger streifte seine Stirn. Zeit und Raum verzerrten sich. Irgendwie, so unmöglich es zu sein schien, befand er sich an zwei Orten gleichzeitig. Er schlurfte die Strand entlang,fühlte sich schwerfällig, triefnass, leer, einsam, geistlos und verloren. Aber er schwebte auch formlos irgendwo auf der Hauptverkehrsader herum, und die Willenskraft der russischen Frau hallte wie das Geläut einer Kirchenglocke durch die karge Substanz, die diese Form seiner selbst besaß.
    Eine Fee flatterte vor seine zwei Augenpaare – sowohl vor das körperliche als auch vor das gestaltlose. »Du hast die dir zugedachte Rolle erfüllt. Wiederholung, nicht Transzendenz, wird einsetzen«, zwitscherte die Fee.
    »Lass mich zufrieden, du verfluchte Echse!«, stieß er knurrend hervor.
    Echse?
    *
    An der Stelle, wo die Strand auf den Trafalgar Square trifft, spähte Commander Krishnamurthy, das Gesicht nach seiner Tortur im Tichborne-Haus mit blauen Flecken übersät, in die dichte Atmosphäre und wandte sich an eine Ansammlung von Constables.
    »Also, Leute«, sagte er. »Wer hat Kopfschmerzen?«
    Mehr als die Hälfte der Männer hob die Hände.
    »Ich auch. Und lasst mich euch sagen, ich habe genug davon. Also werden wir das heute Nacht beenden. Ich fürchte allerdings, dass die Kopfschmerzen für einige von euch noch schlimmer werden, bevor es besser wird. Wir sind nah der Quelle des öffentlichen Aufruhrs, der die letzten Tage durch die Stadt gewütet hat, und was sie auch sein mag, sie wird sich den Weg in eure Köpfe bahnen und versuchen, Abtrünnige aus euch zu machen. Ihr alle kennt Kollegen, die unerlaubt abwesend sind, um sich den Aufständischen anzuschließen …«
    Die Männer murmelten zustimmend, und einer rief knurrend: »Verdammte Deserteure!«
    »Nein«, entgegnete Krishnamurthy. »Ihre Gedanken werden kontrolliert – und wie ich schon sagte, in den nächsten paar Stunden ist es durchaus wahrscheinlich, dass einigen von uns dasselbe widerfährt.«
    »Nein, Sir!«, protestierten die Männer.
    »Wir müssen darauf vorbereitet sein. Schließlich wollen wir uns nicht den feindlichen Rängen anschließen, oder? Hier also sind meine Befehle, Leute, und ich bete, dass ich euch nie wieder auffordern muss, so etwas zu tun: Falls ihr bemerkt, dass einer eurer Kollegen die Gegenseite unterstützt oder anfängt, sie zu unterstützen, dann zieht ihr euren Schlagstock und verpasst ihm damit eins über den Schädel!«
    Die Constables sahen einander verdutzt an.
    »Das ist mein voller Ernst!«, betonte Krishnamurthy

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