Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition)
per Läufer. Mr Arundell wohnt derzeit im Stadthaus der Familie, Oxford Square 32.«
»Eine schöne Gegend für diejenigen, die es sich leisten können«, tat die alte Dame ihre Meinung kund. »Wenn Sie die Frage gestatten, gibt es etwas Neues von Miss Isabel?«
»Zuletzt habe ich gehört, dass ihre Eltern zwei Briefe von ihr erhalten haben. Anscheinend treibt sich meine ehemalige Verlobte mit der berüchtigten Jane Digby herum, der Banditenkönigin von Damaskus. Ich glaube, sie haben eine stattliche Streitmacht von Räubern um sich geschart und überfallen derzeit Karawanen auf der arabischen Halbinsel.«
»Du liebe Güte!«, stieß Mrs Angell hervor. »Wer hätte das gedacht?«
»Die Arundells sind nach wie vor der Ansicht, dass meine Auflösung der Verlobung sie bewogen hat, sich überhaupt erst nach Arabien davonzumachen. Ich gehe davon aus, eine frostige Antwort von ihrem Vater zu erhalten.«
Seine Haushälterin verließ den Raum, ging nach unten, öffnete die Vordertür, nahm von einem Haken in der Hauswand eine Pfeife und blies dreimal kurz hinein. Wenige Augenblicke danach traf einLäufer an der Schwelle ein. Unter lautem Winseln trabte er rastlos im Kreis, bis Mrs Angell ein Blech unter einem Tisch in der Diele hervorholte. Davon hob sie mit spitzen Fingern ein Stück Braten und fütterte den heißhungrigen Hund damit. Anschließend legte sie den gewachsten Umschlag zwischen seine Zähne und nannte die Zustelladresse. Der Hund wandte sich um und rannte los.
Burton hatte sich indes in seinem Arbeitszimmer am Hauptschreibtisch niedergelassen und übertrug die Notizen, die er sich in der Staatsbibliothek gemacht hatte, in sein Tagebuch, wobei er sie mit umfangreichen Anmerkungen und Querverweisen versah. Eine Stunde später begab er sich zu einem anderen Tisch und begann, an einer Geschichte aus Tausend und eine Nacht zu arbeiten. Dafür benutzte er ein einzigartiges Gerät: eine von Mrs Angells verstorbenem Ehemann erfundene mechanische Vorrichtung. Sie stellte die Einzige ihrer Art dar, einen »Autoskribenten«, auf dem Burton wie auf einem Piano spielte. Jede Taste des Geräts entsprach einem Buchstaben des Alphabets oder einem Satzzeichen, die es auf ein Blatt Papier druckte, wenn man sie betätigte. Der Agent des Königs hatte zwei Wochen gebraucht, um die Maschine zu beherrschen, doch mittlerweile war er in der Lage, mit phänomenaler Geschwindigkeit zu schreiben.
Um vier Uhr brachte ein Läufer eine Antwort von Arundell:
Sir Richard,
das Venetia ist aufgrund einer großen Privatveranstaltung völlig ausgebucht. Ich habe stattdessen im Athenaeum Club einen Tisch für uns reserviert. Wir sehen uns dort um sieben.
H. Arundell
»Kurz und bündig, aber zufriedenstellend«, murmelte Burton.
Er verließ den Schreibtisch, nahm in seinem Lehnsessel Platz und ließ sich den gegenwärtigen Fall durch den Kopf gehen.
*
Burton traf sich zur vereinbarten Zeit und am vereinbarten Ort mit seinem ehemaligen Schwiegervater in spe. Als sie einander die Hand schüttelten, stieß der ältere Mann hervor: »Sie sehen ja völlig abgemagert aus!«
»Ein Malariaanfall«, erklärte Burton.
»Also haben Sie immer noch damit zu kämpfen?«
»Ja, wenngleich die Abstände zwischen den Anfällen immer länger werden. Haben Sie etwas von Isabel gehört?«
»Ich will nicht über meine Tochter sprechen, lassen Sie uns das von vornherein klarstellen.«
»Wie Sie wünschen, Sir«, gab Burton zurück. Ihm fiel auf, dass Arundells Züge erschöpft und verhärmt wirkten, und er verspürte einen Anflug von Schuldgefühlen, als sie an der Tür des Speisesaals zum Stehen kamen.
Das Athenaeum erwies sich wie üblich als gut besucht, doch ganz gemäß dem Ruf des Klubs als eine der Bastionen britischer Gesellschaftskultur beschränkten die Mitglieder die Lautstärke ihrer Stimmen auf ein gesittetes Murmeln. Das leise Raunen von Gesprächen umhüllte die beiden Männer, als sie den opulenten Speisesaal betraten und vom Oberkellner zu ihrem Tisch geleitet wurden. Sie beschlossen, vor der Mahlzeit ein Glas zu trinken und bestellten eine Flasche Wein.
Arundell vergeudete keine Zeit mit Höflichkeiten. »Warum interessiert sich Lord Palmerston für die Angelegenheit?«, fragte er.
»Das weiß ich wirklich nicht.«
»Haben Sie sich nicht danach erkundigt?«
»Haben Sie Palmerston je kennengelernt?«
»Ja.«
»Dann wissen Sie ja, wie verdammt schwer er den Mund aufbekommt, und das hat nichts mit den Operationen zu
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