Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition)
tun.«
Burton spielte damit auf die Eugenikerbehandlungen an, die der Premierminister in dem Versuch erhalten hatte, seine Jugend zu bewahren. Seine Lebenserwartung war auf geschätzte hundertzehn Jahre ausgedehnt worden, und man hatte seinen Körpergestreckt und geglättet, bis er einer ausdruckslosen Wachsfigur ähnelte.
»Er ist sehr ausweichend, das stimmt«, räumte Arundell nachdenklich ein. »So wie alle Politiker. Gehört zum Beruf. Dennoch hätte ich gedacht, dass er Ihnen zumindest irgendwelche Anhaltspunkte geben würde.«
Burton schüttelte den Kopf. »Als er mir vergangenes Jahr meinen ersten Auftrag anbot, hieß es lediglich: ›Sehen Sie sich die Sache an.‹ Dabei beließ er es. Diesmal ist es dasselbe. Vielleicht möchte er keinerlei Anlass für eine vorgefasste Meinung liefern.«
»Mag sein. Nun denn, wie kann ich helfen?«
»Indem Sie mir etwas über den Fluch und den verlorenen Sohn der Familie Tichborne erzählen.«
Henry Arundell klopfte mit dem Zeigefinger auf den Tisch, betrachtete sein Weinglas und wirkte einige Momente lang zutiefst nachdenklich. Schließlich hob er den Blick und nickte Burton knapp zu.
»Das Haus der Tichbornes steht auf einem hundertsechzehn Morgen großen Grundstück in der Nähe des Dorfes Alresford, nicht weit von Winchester. Der Bischof von Winchester verlieh es im Jahr 1135 an Walter de Tichborne, und wenige Jahre später erbte es sein Sohn, Roger de Tichborne, ein Soldat, Schürzenjäger und Rohling. Es war die Art, wie er seine Frau behandelte, als sie aufgrund einer zehrenden Krankheit im Sterben lag, die den Fluch über die Familie brachte.«
»Erzählen Sie mir, was passiert ist.«
*
»Was sagt Ihr, Medikus Jankyn? Stirbt das Luder heute Nacht?«
Junker Roger de Tichborne warf seine Reitgerte auf einen Tisch und ließ sich auf einen Stuhl plumpsen, der unter seiner beträchtlichen Masse ächzte. Auf seiner Stirn glänzte der Schweiß. Er war mit den Jagdhunden ausgeritten, aber der einzige Fuchs, den erund seine Gefährten aufgescheucht hatten, war ein räudiges kleines Vieh ohne Kampfgeist gewesen. Die Hunde hatten ihn innerhalb von Minuten zur Strecke gebracht. Er und seine Männer hatten ihrer Enttäuschung in einer Schenke freien Lauf gelassen. Nun war er betrunken und in übler Laune.
Er brüllte seinen Kammerdiener an, obwohl sich der Mann weniger als vier Meter von ihm entfernt befand. »Hobson! Was stehst du herum wie ein fauler Tölpel? Zieh mir die verfluchten Stiefel aus, Mann!«
Der Kammerdiener, ein kleiner und sanftmütiger Mann, fiel vor seinem Herrn auf die Knie und begann, an einem Stiefel zu ziehen.
»Nun, Jankyn? Antwortet mir! Werde ich endlich frei sein, oder lässt sich die dreckige Xanthippe noch Zeit?«
Medikus Jankyn, ein großer knochiger Mann mit schwermütiger Ausstrahlung, rang nervös die Hände, und sein Mund zuckte.
»Lady Mabella ist schwer erkrankt, Herr«, verkündete er schließlich. »Dennoch könnte sie noch eine Weile ausharren.«
Hobson umfasste de Tichbornes linke Wade, schaute auf und sagte: »Die Lady wünscht Euch sogleich zu sehen, Herr.«
De Tichborne holte mit dem rechten Bein aus und rammte mit einem wilden Grunzen den Absatz ins Gesicht seines Kammerdieners. Hobson schrie auf und fiel rücklings auf den Boden. Blut schoss aus seiner Nase.
»Pardieu! Ist das so?«, stieß de Tichborne knurrend hervor. »Schaff dich hinauf, du winselnder Hund, und bestell der Vettel, dass ich sie nach meinem Gutdünken aufsuche, nicht nach dem dieser Höllenbrut von einer Hexe! Geh mir aus den Augen!«
Der Kammerdiener rappelte sich auf die Beine und wankte durch den kostspielig eingerichteten Salon, stieß gegen die Kante eines Tisches, stürzte beinahe und stolperte aus dem Raum.
»Ihr denkt also, sie hält noch eine Weile durch, wie?«, hakte de Tichborne bei dem Mediziner nach. Er bückte sich und begann, an seinen Stiefeln zu zerren. »Wie lange denn noch, bitteschön? Stunden? Tage? Oder, möge Gott mich verschonen, gar Wochen?«
»Wochen? Nein, Herr. Keine Woche – kaum einen Tag. Ich vermute, sie wird die Nacht überstehen und bis Sonnenaufgang hinweggerafft sein.«
Als de Tichborne den rechten Fuß endlich aus dem engen Leder befreien konnte, schleuderte er den Reitstiefel quer durch das Zimmer. Er prallte gegen eine Wand und landete auf dem Boden.
»Gelobt sei der Herr! Holt mir was zu trinken, Meister Medikus, ja? Und nehmt Euch selbst etwas.«
Jankyn nickte und ging vom Kamin zu einer Kommode,
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