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Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition)

Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition)

Titel: Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Hodder
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die Finger um den Messingknauf. Der Agent des Königs drückte ein Ohr an das Holz. Es fühlte sich kalt an.
    Auf der anderen Seite hörte er keinerlei Bewegung, dennoch konnte er den Gedanken nicht abschütteln, dass sich jemand in dem Raum dahinter befand. Mit größter Vorsicht verstärkte er den Griff um den Knauf und begann, ihn langsam zu drehen. Er biss die Zähne zusammen, wappnete sich und lehnte die Schulter an die Tür.
    Er hielt inne.
    Was war das?
    Hatte er etwas gehört? Eine Stimme?
    »Hilfe! Hilfe!«
    Schreie von draußen!
    Wieder ertönten sie: »Hilfe! Hilfe!«
    Die Stimme klang vertraut.
    Aber ja! Es handelte sich eindeutig um Herbert Spencer!
    Burton ließ den Knauf los, wandte sich ab und lief mit raschen Schritten zur Innenhoftür, zog den Vorhang beiseite, öffnete die Tür und trat aus dem Haus in die windstille Luft einer Nacht mit klarem Himmel.
    Herbert kam den Hang heraufgelaufen. Dichter, milchigweißer Nebel wirbelte um seine Waden.
    »Sind Sie das, Boss? Helfen Sie mir!«
    Burton eilte auf ihn zu. »Herbert! Was ist? Was ist passiert?«
    Der obdachlose Philosoph erreichte ihn und umklammerte seinen Arm. Seine Augen waren geweitet, sein Gesicht zu einer panischen Grimasse verzogen. Er hatte eindeutig entsetzliche Angst.
    »Da!«, rief er und zeigte zurück zum See.
    Burton schaute hin und sah den Dampf, der sich unter den Strahlen des Mondes grell-weiß abzeichnete und zwischen den Stämmen der krummen Weiden umherkroch, träge wie eine lebendige amöbenartige Kreatur.
    »Da ist nichts!«, rief er. »Herbert, warum …«
    »Können Sie sie nicht sehen?«
    »Sie? Wen? Was?«
    »Da … da waren Gestalten«, stammelte der Philosoph. »Nicht im Nebel, sondern aus Nebel!«
    »Was zum Teufel meinen Sie?«
    »Es waren Geister !«, flüsterte Spencer mit zittriger Stimme.
    Der Agent des Königs wich zurück und zog den Philosophen mit sich. »Wovon reden Sie? Warum sind Sie um diese Zeit draußen? Haben Sie geschlafwandelt?«
    »Nein«, krächzte Spencer. »Ich bin rausgegangen, um …« Jäh verstummte er und deutete mit dem Arm nach vorne, die Augen geweitet und voll Panik.
    » Da! «
    Burton starrte zum See. War das eine Gestalt, die sich bewegte, oder nur eine undurchsichtige Nebelschwade, die durch den Dunst wallte?
    »Gehen wir ins Haus«, sagte er knapp.
    Das ließ sich Spencer nicht zweimal sagen. Rasch bahnten sie sich den Weg hinauf zur Tür, überquerten den Innenhof, betraten das Musikzimmer und schlossen die Tür hinter sich.
    Doch die Erleichterung währte nicht lange. Voll Grauen wurden beide Männer vom plötzlichen Gefühl überwältigt, dass sich bereits jemand im Raum befand, und keuchend sahen sie einander an. Sie pressten sich mit dem Rücken gegen die Tür und schauten bald hierhin, bald dorthin, spähten in die Winkel, sahen jedoch nur Schatten.
    »Heilige Muttergottes!«, entfuhr es Herbert keuchend und mit vorquellenden Augen. »Ist der leibhaftige Teufel hier drin?«
    Das Atmen fiel schwer. Es herrschte Eiseskälte.
    Das Licht von Burtons Laterne durchwanderte das Zimmer, erfasste die schimmernden Augen von Sir Henry Tichborne und verharrte dort. Das Porträt strahlte etwas Böses aus, und einen Moment lang schien es dem Agenten des Königs, als hätte sich das Gesicht auf dem Gemälde verändert – als zeigte es etwas völlig anderes, etwas Ausgemergeltes und Boshaftes, erfüllt von arglistiger Entschlossenheit.
    Das Licht sank über die Fläche des Bildes hinab, und kurz funkelten die Augen Tichbornes durch die Schatten, dann verblassten sie. Der Schein der Lampe zog durch den Raum, und beinahe wirkte es, als sauge die Aufziehlaterne all die Dunkelheit in sich auf, während sie über den Boden kroch. Dann flackerte die Laterne erneut kurz auf, zitterte, erlosch und tauchte die beiden Männer in Finsternis. Nur ein silbriges Parallelogramm des Mondlichts verblieb, erstreckte sich über den Boden und umrahmte die Schatten der zwei Gefährten.
    Burtons Herz raste in seiner Brust. Als sich seine Augen nach wenigen Sekunden den neuen Lichtverhältnissen angepasst hatten, wurde ihr Blick von der Tür angezogen, die er zuvor hatte öffnen wollen.
    Deren Knauf begann sich zu drehen.
    Burton stand wie gebannt da, ohne wahrzunehmen, dass auch Spencer zu der Tür starrte.
    Quälend langsam drehte sich der Messingknauf.
    Wie aus großer Entfernung setzte der Ton des Flügels wieder ein, wurde lauter und lauter, bis er schließlich den Raum ausfüllte.
    Auf dem Klavier wurde

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