Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition)
juristische Vertreter des Anspruchstellers. Außerdem betrachtet er sich als Dichter, Literaturkritiker, Prophet und angehender Politiker. Er ist durch und durch ein Aufrührer – ein Mitglied des inneren Kreises, der sich dem Vernehmen nach um den neuen Anführer gebildet hat, wer immer das auch sein mag.«
»Na so was«, murmelte Burton. »Das ist ja wirklich sehr interessant.«
Laurence Oliphant und Henry Beresford, der Irre Marquis, hatten vormals die Aufrührer angeführt, doch beide waren vergangenes Jahr von Burton getötet worden, und in der Gruppierung hatte seit Monaten Chaos geherrscht.
»Jedenfalls nicht John Speke«, murmelte Burton bei sich. Die jüngsten Ereignisse würden durchaus Sinn ergeben, wenn Speke die Aufrührer anführte und sie benutzte, um an die schwarzen Diamanten zu gelangen, aber irgendwie konnte Burton es sich nicht vorstellen. Sein einstiger Partner besaß keine Führungsqualitäten, darüber hinaus war er ausgesprochen konservativ und eineher verklemmter Charakter – alles andere als geeignet für die Werte der Aufrührer.
Burton fragte sich, ob es ihm gelingen würde, dem Anwalt des Anspruchstellers die eine oder andere Information abzuluchsen.
»›ist kein Wort, das ich benutzen würde, um Edward Kenealy zu beschreiben, Sir Richard«, entgegnete Henry Hawkins trocken. »› Interessant ‹ Himmelschreiend verrückt ‹ entspräche eher meiner Wahl. Er ist vollkommen gestört und zudem ein verdammter Rohling. Vor zehn Jahren saß er wegen schwerer Körperverletzung an seinem sechsjährigen unehelichen Sohn in Haft. Der Junge war halb zu Tode geprügelt und beinah erdrosselt worden. Seither wurde Kenealy mehrerer tätlicher Angriffe auf Prostituierte beschuldigt – aber nicht angeklagt. Er ist ein äußerst aktiver Anhänger des Marquis de Sade und hält an der Überzeugung fest, dass es gesellschaftliche Zwänge lockert und den Geist befreit, anderen Schmerzen zu bereiten.«
Detective Inspector Trounce blickte zu Algernon Swinburne, der die Stirn runzelte und murmelte: »Manche geben, andere nehmen, Inspektor.«
Hawkins fuhr fort: »Außerdem ist er Verfechter einer ziemlich unzusammenhängenden religiösen Lehre, die behauptet, eine spirituelle Kraft beginne gerade, die Welt zu verändern, wir lebten derzeit an der Grenze zweier großer Epochen, und der Übergang von der einen in die andere werde eine gesellschaftliche Apokalypse verursachen, die herrschende Elite der Welt stürzen und die Macht stattdessen in die Hände der Arbeiterklasse legen.«
Burton verlagerte unbehaglich das Gewicht, als er an Komtesse Sabinas Prophezeiung und seinen darauffolgenden seltsamen Traum denken musste.
Hawkins redete weiter. »Er hat eine Reihe langatmiger, unsinniger Texte veröffentlicht, um diesen Glauben zu fördern, aber wenn Sie mich fragen, ist die einzige nützliche Information, die man daraus entnehmen kann, dass der Verfasser ein Egomane, Fanatiker und Fantast ist. Alles in allem, meine Herren, habenwir einen äußerst gefährlichen und unberechenbaren Mann zum Gegner.«
»Und einen, der gerade den Fahrweg entlangkommt, wie es aussieht, nicht wahr?«, stellte Jankyn fest, der am Fenster stand. »Ein Einspänner nähert sich.«
Lushington blies den Atem aus und wischte sich die Hände an der Hose ab. »Tja, Mr Hawkins … ähm … gehen wir und werfen wir einen Blick auf den Mann, der behauptet, Roger Tichborne zu sein. Soll heißen, sehen wir ihn uns an. Meine Herren, wenn Sie so nett wären, hier zu warten, ich stelle Ihnen den Anspruchsteller und seinen wahnsinnigen Anwalt in Kürze vor.«
Damit verließen die beiden Männer den Raum.
Swinburne ging zum Fenster und sah gerade noch, wie der von einem Pferd gezogene Wagen außer Sicht geriet, als er sich dem Säulenvorbau des Anwesens näherte.
»Was meinen Sie?«, fragte er Jankyn leise. »Schwindler oder verlorener Sohn?«
»Ich behalte mir ein Urteil vor, bis ich ihn sehe und er seine Sache vorträgt, nicht wahr?«
Burton, der neben einem der großen Bücherregale bei Detective Inspector Trounce stand, suchte den Blick seines Assistenten.
Mit einem Nicken in Jankyns Richtung verließ der Dichter das Fenster und ging zu seinem Freund hinüber, der auf ein ledergebundenes Buch zeigte. Swinburne las den Rücken: De Mythen van Verloren Halfedelstenen von Matthijs Schuyler.
»Was ist damit?«
»Das ist das Buch, in dem die Mythen über die drei Nāga-Augen stehen.«
»Na so was!«, murmelte der Dichter.
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